Eine Kritik von "Der Ewige Lawrence":
Fangen wir mal mit den Kritikpunkten an:
Was haben wir hier? Einen Film, der Zutaten aus allen möglichen Filmen klaut und mixt, das fängt offensichtlich mit Alien 2 (Regisseur James Cameron selbst) an, geht über Der mit dem Wolf tanzt, Pocahontas, Der Mann, den sie Pferd nannten, Apocalypto, ganz zu schweigen von irgendwelchen weiteren Fantasyfilmen a la Eragon, Drachenreiter, Tarzan usw., macht aber selbst vor Matrix nicht halt, denn dort wurden Avatare fast in der gleichen Art benutzt, nur in einem etwas anderen Zusammenhang. Auch wird hier Prinzessin Mononoke mit rein verwurstet und einiges anderes von Hayao Miyazake.
Dazu kommt teilweise eine eklige Ethno-Musik, als wären wir in einem Fa-Duschgel-Werbespot aus den 90er Jahren.
Hinzu kommt es - sogar ZWEIMAL - zu einer blöden Seance, in der alle Ureinwohner ekstatisch rumzucken, hat man in irgendwelchen Dokus über Naturvölker oft genug gesehen und wird hier einfach reinkopiert.
Das man im Einklang mit der Natur leben sollte, wird auf die neue Ebene gehoben, weil plötzlich ein Unwort des neuen Jahrtausends dafür mißbraucht wird, damit auch der letzte Jugendliche der Neuzeit versteht worum es hier geht: Netzwerk! Wow, aber ehrlich, es war schon etwas ärgerlich, dass das so aufgezogen wurde.
Ausserdem kommt es einem teilweise so vor, als wäre der Film trotz seiner enormen Überlänge von 161 Minuten viel zu kurz, da man zu wenig Charakterisierung der interessanteren Charaktere vorgesetzt bekommt, so z.B. der Charakter von Michelle Rodriguez: Weder wird ersichtlich warum sie so handelt wie sie handelt, noch wird ihr weiteres Schicksal grossartig nachverfolgt, und das obwohl sie eindeutig zu den wichtigeren Figuren des Films zählt.
Auch ist der Geschäftsmann - dargestellt von Giovanni Ribisi - eindeutig derselbe Charakter wie der von Paul Reiser dargestellte in Alien 2.
Und dann wäre da noch der von Stephen Lang dargestellte Schurke, der so eindimensional rüberkommt, dass sogar der Kellogs Frosties Tiger 3-dimensional und mit einer ungeheuer emotionalen Tiefe erscheint.
So, was bleibt also Gutes übrig?
Eine ganze Menge!
James Cameron beweist hier endlich wieder, dass er nach wie vor in der Lage ist, sein Publikum in den Sessel zu drücken.
Egal ob in 3D oder normal, der Film ist eine visuelle Augenweide, und man kann sich an dieser Welt kaum satt sehen. Eigentlich sollte man den Film in 3D sehen, aber auch ohne ist er überragend.
Trotz seiner offensichtlichen Schwächen, vor allem im Dramaturgischen, unterhält er jederzeit und man bangt bis zur letzten Minute mit. Und das ist schon erstaunlich, da man von Anfang an weiß, wie der Film enden wird, welche Wendungen er nehmen wird, wann wer wie handeln wird.
Alleine das ist großes Kino.
Natürlich bietet er den Frauen im Publikum eine romantische Stunde und den Männern eine knallharte zweite Hälfte.
Dass die Story so abgelutscht ist, liegt nun mal an den Zeiten, in denen wir leben, und dafür kann man dem Film keinen Vorwurf machen.
Kurz: Trotz seiner offensichtlichen Mängel ist dies der mit Abstand beste Popcorn-Crowd-Pleaser-Film dieses Jahres.
Er vereint all das, was zukünftige Filmklassiker wie damals Star Wars oder Herr der Ringe ausmachen: Er ist wegweisend, obwohl nicht neu, ist visuell neuartig und äußerst ansprechend und vergißt nicht, eine Geschichte zu erzählen, die dem Zuschauer gewisse Werte vermittelt.
Dass das Finale trotz der äußerst ethnomäßig angehauchten Message so gewalttätig ausfällt, wollen wir mal wohlwollend als Zivilisationskritik titulieren. Außerdem will ja das Gros des Publikums mit Sicherheit noch etwas Action vorgesetzt bekommen. Und selbst ein James Cameron muß mit seinem Produkt Kohle machen.
Hierfür spricht auch, dass er sich nicht traut, seinen Film konsequent böse enden zu lassen, obwohl das der Wuchtigkeit seiner Message keinerlei Abbruch getan hätte, im Gegenteil.
Aber Filmstudios wollen Asche machen, und hierfür darf kein Flop riskiert werden.
Wie gut ist Avatar also wirklich?
Er ist definitiv ein Klassiker, jetzt schon!
Ist er besser als Titanic? Erfolgreicher wird er nicht werden, und mit Sicherheit wird er bei seinem vor allem weiblichen Publikum nicht solche Weinkrämpfe auslösen wie Leonardo CiCaprios Erfrierungsszene, außerdem hat er zwar Leona Lewis statt Celine Dion anzubieten (dies könnte man auch in den Negativbereich ansiedeln, wollte man zynisch sein), aber glücklicherweise ertönt diese Schnulze wirklich erst am Ende, als es nur noch die wenigsten stört.
Ist er so visionär, wie man erwartet hätte? Man kommt tatsächlich nicht aus dem Staunen heraus, aber beispielsweise hatte einen Matrix eher umgehauen, oder auch Terminator 2 seinerzeits. das soll jetzt aber nicht heißen, dass Avatar keine Maßstäbe setzt.
Er setzt sie sehr wohl, nur nicht so superlativ, wie man es vielleicht von einm Film für kolportierte USD 300-500 Mio (!!!) erwarten würde.
Wie auch immer: Sehr guter Film, wegen der offensichtlichen Formelhaftigkeit und der angesprochenen Mängel fehelt es doch zur absoluten Spitze einiges. 8 Punkte.