Eine Kritik von "SquallX":
"Ich war ein Krieger, der davon träumte Frieden zu bringen."
"Avatar" ist James Camerons ("Terminator", "Aliens - Die Rückkehr") Vision eines revolutionären 3D-Kino Spektakels. Sieben Jahre dauerte es, um das dafür notwendige, stereoskopische Verfahren zu perfektionieren, mit dem das menschliche, dreidimensionale Sehen imitiert werden kann.
Im Jahr 2154 sind die Rohstoffe der Erde erschöpft. Auf der Suche nach neuen Quellen stößt die Menschheit auf den Planeten Pandora, wo der begehrte Rohstoff Unobtanium häufig auftritt. Allerdings behindern die dortigen im Einklang mit der Natur lebenden Na'vi den Abbau des wertvollen Minerals. Da die Atmosphäre des Planeten giftig ist, wurde in einem wissenschaftlichen Projekt die DNA von Menschen und Na'vi gekreuzt. Die daraus resultierenden Avatare können vom Menschen mental gesteuert werden.
Der von der Hüfte abwärts gelähmte Ex-Marine Jake Sully (Sam Worthington) wird nach Pandora beordert, um einen dieser Avatare zu steuern. Unter der Anleitung der Wissenschaftlerin Grace Augustine (Sigurney Weaver) lernt er die Pflanzen und Tiere auf Pandora kennen, denen nicht immer ohne Gefahren zu begegnen sind. Parallel bietet ihm Colonel Miles Quaritch (Stephen Lang) die Option seine echten Beine durch eine kostspielige Operation wiederzuerlangen, wenn er Aufklärungsarbeit im Lager der Na'vi leistet. Quaritch erhofft sich dadurch einen strategischen Vorteil, falls es zu Kampfhandlungen kommt. Denn unter ihrem Lebensraum befindet sich eines der größten Vorkommen von Unobtanium. Natürlich nimmt Jake Sully das verlockende Angebot an. Aber nachdem ihm die Stammestochter der Na'vi Neytiri (Zoe Saldana) immer mehr in die Kultur des Stammes einführt, gerät Jake in Gewissenskonflikte und ist sich nicht mehr sicher, für welches Team er wirklich spielt.
"Avatar" verliert keine Zeit mit einer großartigen Vorgeschichte oder Erklärungen zur Expansion der Menschheit in den Weltraum oder der entdeckten Technologien. Direkt zu Beginn taucht man mit dem Hauptprotagonisten in die fremde Welt ein. Und was für eine Welt.
Der Film hat seine Stärken in der Umsetzung von Camerons Fantasiewelt. Der kitschig bunte dichte Wald, die mit fluoriszierenden Lichtern überzogenen Pflanzen und die zahlreichen seltsamen Kreaturen, die durchs Dickicht schleichen oder sanft durch die Luft gleiten, erfüllen den Planeten mit Leben. Der Detailreichtum ist überwältigend, nahezu überladen, was zur Sinnesüberreizung führen kann. Und obwohl das Volk der Na'vi comichaft konzipiert wurde, passt dies in visueller Form hervorragend zur sonst bunten, aber real gehaltenen Welt.
Die fantastischen Figuren wurden mittels Digitalisierung der Schauspieler zum leben erweckt. Ein neues Verfahren des Motion-Capture, das sogar Gesichtszüge und Mimiken erkennt, sorgt für den nötigen Realismus. Neu sind ebenso die bereits in 3D aufgenommenen Realszenen, die eine enorme Tiefenschärfe bieten. Allein von der Optik und der Präsentation ist Pandora definitiv ein episches Kunstwerk, das sich bisher als einziges mit der filmisch umgesetzten "Herr der Ringe"-Reihe anlegen kann. Einzig ein paar unscharfe Vordergründe bei schnellen Bewegungen versauen den Gesamteindruck.
Allein visueller Bombast reicht nicht um dauerhaft unterhalten zu können. Gerade nicht bei einer Laufzeit von ca. zweieinhalb Stunden. Wie viele andere Blockbuster, die für ein Massenpublikum produziert wurden, tut sich auch "Avatar" etwas schwer.
Die Handlung bedient sich einiger Zutaten aus "Pocahontas", "Last Samurai" und "Der mit dem Wolf tanzt" und ist überaschend linear, was sich durch Längen in der Mitte des Films bemerkbar macht. Ohne viel Vorkenntnisse ist bereits zu Beginn ersichtlich, dass die Spannungen zwischen Menschen und Na'vi eskalieren werden und schlussendlich der große Konflikt im Mittelpunkt steht. Ebenso die eingebaute Romanze, die glücklicherweise unaufdringlicher ausgefallen ist, als bei Camerons thematisch verfehlten Mammutwerk "Titanic".
Undurchsichtig sind dafür diverse Details der futuristischen Technik oder der Kultur der außerirdischen Rasse. Ein Manko, das sich auch auf die Charakterprofile niederlegt. Denn die Motivation dieser ist ebenso wenig ersichtlich wie inhaltliche Tiefe. Dabei offeriert die Handlung einige gesellschaftskritische Aspekte zum Thema Umwelt und Kolonialisierung, die später nicht mehr aufgegriffen werden. Denn da soll es schließlich ordentlich krachen.
Das finale Actiongewitter lässt einige Mängel in der Technik zuvor vergessen. Waren Verfolgungsjagden zuerst noch durch eine wacklige Kameraführung mit Übersichtlichkeitsverlust geprägt, passt sich diese im letzten Drittel besser an das Geschehen an. So werden Angriffsformationen zu Luft und auf dem Boden gut sichtbar, die sich einen brachialen aber nie übermäßig brutalen Kampf liefern.
Cameron betonte dass in "Avatar" im Endergebnis die Leistung der Schauspieler zu sehen sei, obwohl diese zum Teil nur im Motion-Capture aufgenommen und als künstliche Figur über die Leinwand laufen. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, vermindert das überladene Effektgewitter die Sichtbarkeit und Wahrnehmung echter Schauspierlerei. So ist weder Zoe Saldana ("Star Trek") selbst, noch eine darstellerische Leistung von ihr erkennbar.
Besser sieht es bei den anderen beiden starken Frauenfiguren aus, die von Michelle Rodriguez ("Resident Evil") sowie Sigourney Weaver ("Galaxy Quest", "Alien"-Reihe) ordentlich besetzt sind. Für etwas Verdruss sorgt die leicht hölzerne Umsetzung Sam Worthington's, der noch bei "Terminator - Salvation" als fulminante Neuentdeckung galt. Dafür kann Stephen Lang ("Public Enemies") trotz seiner klischeeüberladenen Figur als fieser Leiter des Militärs richtig überzeugen.
"Avatar" ist als Endprodukt gesehen ein sehr guter Film und bietet gerade im visuellen Bereich überwältigendes Attraktionskino, das mit einem Epos wie "Der Herr der Ringe" gleich zieht. Allerdings ist das Science-Fiction Fantasy Epos ebensowenig herausragend wie Emmerichs "2012". Dafür mangelt es ihm an dem letzten Schliff, besonders im Bereich der Figurenzeichnung und zahlreichen Mängeln, die das Mainstream-Kino so mit sich bringt.
9 / 10