Eine Kritik von "Front242":
Fast bin ich geneigt, diesen "Film" als ein Phänomen zu bezeichnen: Seit über zwei Jahren geistert dieser Film (als Gerücht) weltweit durch Presse und Internetforen und von Scherz bis Blockbuster war wirklich jede Behauptung oder Einschätzung dabei.
Ich wusste wirklich nicht, ob das ganze sich als eine "Urban Legend" oder eine geschickt lancierte Promotion-Aktion herausstellen würde. Es sollte letzteres werden, als ich nach Wiesbaden fuhr, um mir den Film bei seiner Premiere anzusehen, die per Plakaten im kompletten Umland angekündigt wurde.
In der größten Disco Wiesbadens war eine große Leinwand aufgebaut und zahlreiche B- und C-Prominenz tummelte sich zwischen leichtbekleideten Mädchen auf dem Parkett. Niemand wusste wann es losgeht und wenn ja, was überhaupt losgehen würde. Keine Erklärung, keine Moderation und nichtmal das Barpersonal wusste angeblich was passieren würde... Ich trank zwei Cola und als ich schon dachte das ganze sei die grösste Verarsche aller Zeiten, knackte und knarzte es in der Soundanlage, schlagartig wurde es dunkel und die Leinwand wurde beflimmert: Es ging tatsächlich los:
Gleich vorweg, der Soundtrack des Films ("Music Photo Play"...), ist wirklich eine positive Überraschung: Pop und Hip Hop in wirklich fantastischer Qualität und das über eine ganze Stunde.
Der Film eröffnet mit einer Art Stummfilm-Intro und geht dann in ein Musikvideo über, das nichts für Epileptiker ist und mit heftigen Farben aufwartet und sich oft in technischen Kabinettstückchen verliert..., es flimmert, blitzt im Takt der Musik und was vorgeht wird nicht klar.
Nomi soll tot sein und dann immer wieder Skulls und planlos existierende Charaktere ohne Sprache und Kontext. Total irre, völliger Schwachsinn..., nix "Lynch", aber dennoch prächtig gefilmte Landscapes, Citys und yesss: Girls, Girls, Girls!
Ob Blondinen oder kaffeebraune Schönheiten, es wird getanzt, geräkelt, Beine gespreizt und Pussies in die Kamera gehalten..., nicht zu fassen, die Macher dieses Films spucken wirklich auf alles, was einen Film normalerweise ausmacht: Story und Charaktere, Sprache und eine Moral der Geschichte - Fehlanzeige; aber eine feuchtglänzende Möse in Nahaufnahme: Peng! Showgirls: Exposed ist das absurdeste Machwerk seit langem. Echt krank und trotz der farbenprächtigen Porno-Optik von einer extrem düsteren Atmosphäre, teilweise eher ein Horrorfilm mit psychologischen Nachwehen: Ich hatte tatsächlich Albträume in der Nacht nach der Premiere. Etwas unbeschreiblich menschenverachtendes umweht diesen Film von der ersten Sekunde bis zur letzten. Menschen als Material und Objekte in einem perversen Kunstwerk, das allerdings nicht ohne skurrile Faszination ist.
Nicht dass Showgirls 2 etwas wirklich neues zu bieten hat, aber in dieser Form ist der Film etwas undefiniertes, das in keine bekannte Schublade passt. Als Spielfilm funktioniert der Film nicht, als Arthaus auch nicht, denn er biedert sich zu sehr an niedere Instinkte an und krankt an billiger Porno-Effekthascherei.
Die Stärke von Showgirls: Exposed liegt in schönen Bildern, schönen Frauen und einem hammergeilen Soundtrack. Die Sets und Locations sind teilweise schon sehenswert, wirken aber unterfordert; allzu oft verirrt sich die Kamera auf Ärsche, Titten oder notgeil über Lippen leckende Mädchenzungen.
Der Regisseur beruft sich auf David Lynch, da hat er versagt: Diesen Level erreicht er zu keinem Zeitpunkt auch nur anhähernd (der Versuch ihm nachzueifern, wirkt verkrampft), aber er ist erfolgreich im Erschaffen einer autarken Welt des totalen Wahnsinns in unscharfer VHS-Kassetten-Optik, die direkt einem Ribu-Porno der frühen 80er entnommen scheint. Dass es ein Deutscher geschafft hat, einen so ausgeflippten Film zu drehen und dafür den Kameramann von Charmed und Seaquest als Producer mit ins Boot geholt hat, ist schon ungewöhnlich und nötigt mir Respekt ab. Dass Marc Vorlander in der Lage war einen internationalen Soundtrack auf A-Blockbuster-Niveau einzukaufen, ist ebenfalls mehr als nur bemerkenswert für einen Filmemacher aus unseren Landen, die sonst ja kaum über das "Kleine Fernsehspiel" oder eine Serienfolge im TV hinauskommen.
Der Film wurde sicherlich nicht mit einem Riesen-Budget gedreht, wirkt aber auch nicht billig. Die Austattung ist auch in Details durchaus ansehbar: Werden Waffen gezeigt, handelt es sich offensichtlich um echte Schusswaffen, zum Teil sogar recht exklusive Exoten, wie Revolver im Kaliber 500 z.B. und eben nicht um Softairs oder Gaswaffen, die man uns im deutschen Fernsehen (oder B-Hollywood) sonst peinlicherweise gerne zeigt (Die Abspann Credits bestätigten diesen Eindruck dann auch). Gangsterbosse fahren bei Vorlander Maserati und logieren in luxuriösen Bars und Hotels, Frauen tragen Designermode aus LA, wie uns schon der Vorspann lehrt... Deutschlands neuer Hollywood-Exot hat wohl einen recht exklusiven Geschmack und wenn er den demonstrativ zur Schau gestellten Protz der Premiere mit Champus-Fluten und weiblicher Entourage über zwei Jahre Produktionszeit durchgezogen hat, dürfte es an einigem Kleingeld nicht gemangelt haben; wer genau und warum (...) dem voher völlig unbekannten Filmemacher aus Frankfurt diesen Ego-Trip finanziert hat, bleibt ein Rätsel.
Marc Vorlander ist meiner Meinung nach nicht ganz zurechnungsfähig: In Interviews klopft er auf den Putz, dass man es kaum mehr für witzig halten kann und bietet in US-Foren gerne mal vorlauten Nerds einen Kieferbruch an... Aber was sagt uns das? Der Typ ist besessen von einer fast religiösen Mission seine überschiessende Phantasie auszuleben. Dieser Eindruck bestätigte sich auch auf der Premiere: Statt sich zu erklären oder auch nur das Publikum zu begrüssen, sprang er direkt nach dem Abspann mit einem Umhänge-Keyboard bewaffnet auf die Bühne und spielte ein Mini-Konzert zusammen mit einem Ex-Member von Kraftwerk!!! (Ja, kein Witz...) Nachdem das völlig verstörte Publikum auch noch Zeuge von dieser Darbietung wurde, machten sich der Director, sein Kraftwerk-Robot (und einige Stripperinnen) mit einer vorm Haus geparkten weissen Strechlimousine aus dem Staub.
Was immer die Macher von Showgirls 2 auch für Substanzen konsumieren, ich möchte den Dealer bitten sich bei mir zu melden!
Für Musikfans und Liebhaber von völlig gegen den Strich gebürsteten Filmen ist Showgirls: Exposed ganz sicher sehenswert. Für Mainstreamer bleibt zumindest der gynäkologisch informative Blick auf nackte Mädchen.
"Disturbing, provoking, completely shaved"... Da hat die Tagline detailliert Wort gehalten. Für den schrägsten Film seit Crank 2 mit top Score, gibt's von mir immerhin verdiente 8 Punkte, denn ich habe mich gut unterhalten gefühlt.