Eine Kritik von "Con Trai":
Als einer der ungewöhnlichsten Beiträge des Neuen Hongkong Kinos, dass sich zahlenmäßig weiter am Begrenzen, mittlerweile aber auch wieder am Abgrenzen vom Chinesischen Kino und den Gepflogenheiten des Mutterlandes der Volksrepublik ist, erwies sich in jüngster Geschichte das Crime Drama Port of Call. Geschrieben, gedreht und teilweise auch geschnitten vom noch jungen Filmemacher Philip Yung wagt sich der Film anders als sein zeitgleicher Mitspieler Ten Years nicht direkt in die politischen Gefilde, aber zeichnet ein ebenso düsteres Bild der Zukunft, der Vergangenheit und damit auch der Gegenwart, in der die Umstände des Lebens den Menschen nicht nur über die Maßen hinaus prägen, sondern ihn selber an den Rand der Existenz schieben. Ein Dasein, das nicht nur nicht lebenswert scheint, sondern den Tod und die Zerstörung und die Vernichtung von Anderen und sich selbst als nahezu einzigen Ausweg zeichnet und darüber hinaus nur wenig Licht und Hoffnung bereithält:
Als Detective Chong [ Aaron Kwok ] mitsamt seinem Assistenten Smoky [ Patrick Tam ] zu einem blutübersudelten Tatort, allerdings ohne Leiche gerufen wird, ahnt er schnell Grausames hinter der Geschichte. Der noch hoffenden Mutter May [ Elaine Jin ] treibt er schnell den letzten Funken auf Erlösung aus, wird ihre noch minderjährige Tochter Wang Jiamei [ Jessie Li ] doch seit mehreren Tagen vermisst und ist der ebenso junge Bekannte Ting Chi-chung [ Michael Ning ] nicht nur schnell verdächtig, sondern auch schnell geständig. Sein Freund Mo-yung [ Jackie Cai ] bringt ebenso Licht in das Dunkel der Geschehnisse, dass allerdings in der Aufklärung noch viel grausamer als so schon vorgestellt ist, während Chongs Vorgesetzte Superintendent Law [ Maggie Siu ] eigentlich nur noch auf einen schnellen Abschluss der Ermittlungen drängt.
Aufgegriffen wird ein realer Mordfall, der ebenso wie in der Handlung aus dem Jahre 2008 datiert. Erzählt wird auch das Crime, das Procedural, die Arbeit der Polizei, die allerdings nur am hinterher Aufräumen und das Puzzle nur noch am Zusammensetzen, und für die eigentliche Geschichte abseits des Stellens von Fragen und des Hörens von Antworten von keinerlei Bewandtnis oder gar Belang mehr ist. Der Täter ist schnell gefasst und geständig. Das Opfer ist trotz all seiner Maßnahmen der Verstümmelung schnell identifiziert. Der Prozess lässt nicht lange auf sich warten, und dennoch ist am Ende nichts mehr so, wie es am Anfang war und scheint dies fast wie das Ende der zivilen Welt.
Yung orientiert sich dabei nur scheinbar an nach außen hin ganz ähnliche scheinende (reale und) filmische Vorgänger, die als so genanntes Category III Kino Anfang der Neunziger eine kurze Phase der cinematographischen Bearbeitungen, und vor allem auch das Interesse der westlichen Zuschauer fanden. Werke wie Dr. Lamb [ 1992 ], Untold Story [ 1993 ], Suburb Murder [ 1992 ] in denen ebenso die polizeilichen Anforderungen und Befugnisse in der Geschichte wenig von Interesse waren, und das Ganze, die Sichtweise aus der Seite von Täter und Opfer später bald aufmerksamkeitsheischend in der zuschauerwirksamen Rückblende mit all den grausigen graphischen Details dargereicht wurden. Auch Port of Call kommt nicht umhin, das ehemals als 'Qualitätsgarant' angepriesene Siegel des CAT III zu nutzen und dies auch auszuüben, wobei die hauptsächliche Betrachtung ganz lang zuvor allerdings auf das Leben und das Schaffen der später körperlich und zuvor schon seelisch längst Geschädigten, eines Mädchen noch, noch keiner Frau zu sehen und zu erleben ist.
Das Bestehen einer Heranwachsenden, die nirgends richtig hingehört, trotz einer (zerrissenen) Familie in Nähe nirgendwo zu Hause ist, die noch keine Zwanzig und dennoch schon am Ende der Leiter, ganz unten, und ohne rettende Hand aus diesem Moloch hinaus bereits angelangt ist. Schikanen allerorten, dazu die Einsamkeit, dazu der Verlust der Würde, der Naivität, des Vertrauens und der Zuversicht; ein Zustand, in der bereits Alles weg ist, was auf dem sowieso meist steinigen Weg durch die Gesellschaft noch helfen könnte und nur noch das Elend selber über ist.
Träume waren einmal, und sind jetzt abgeplatzt und zerrissen wie die Wände und schmuddelig und duster wie die Gänge in den engen Wohnungen, die mehr Behausungen aus dem Slum und keine Heimat und fern von Wärme und Geborgenheit sind. Dabei suhlt sich Yung ein wenig in dieser Materie, die vor Schmutz und Nikotin und Schweiß aus allen Poren trieft, und überzeugt weniger durch die Masse an Unannehmlichkeiten als vielmehr in kleineren Details und darstellerischer Leistungen, die diese Risse in der Sozialität im einzelnen doch stärker hervorheben, als es dem schweren grauen Klumpen Abschaum von Film in seiner Ansammlung von Negativen gelingt.
Yung will viel, und schafft es nicht immer, was auch an der Unfokussiertheit des Geschehens liegt, welches scheinbar aus der Klaustrophobie der Örtlichkeit am Hinausdrängen und am Vorwärts springen und rückwärts wandern und hinaus und hinein aus der Struktur hüpfen ist. Ein drüber und drunter, dass weniger eine Achterbahnfahrt und ein Auf und Ab wie im Leben üblich, sondern ein Addieren von Schlechtigkeiten und zwischenmenschlichen Verkommenheiten und so auch bald zum Abgewöhnen, wie ehedem beim Born without Hope a.k.a. Rape and Die [ 1983 ] ist.