Eine Kritik von "Con Trai":
Obwohl eigentlich gar nicht so lange schweigend, war die Stille von Milkyway Productions, die kurze Auszeit und Phase der Besinnung, das Fehlen einer aussagekräftigen, auch mit wenigen Worten deutlichen Stimme im Hintergrund doch immer bewusst. Darbend das Genre des Crime, die Hatz von Polizei gegen Verbrecher, die Bestandsaufnahme einer Welt, in der sich nur scheinbar alles um das schnelle Geld und vielmehr um das Überleben in der Welt von Heute und das Erinnern an die Zustände von Gestern geht. Der Aussenlieger Two Thumbs Up (2015) hat dies zuletzt versucht zu erzählen, ein willkommenes Zwischenspiel, als Hommage an früher und dies aus einer romantisierend - komödiantischen Sicht, die ein wenig zu aufgedreht und verharmlosend war, um letztlich den großen Eindruck zu erwecken. Ein Film über die Erinnerung, in der Früheres wiederholt und gesteigert werden soll, ein letzter Coup, in der noch mal Alles an Erfahrungen, sowohl positiv als auch negativ für das ersehnte Endergebnis zählt.
Trivisa erzählt auch so eine Geschichte, und erzählt innerhalb seiner Gangstermär, die mal ernst, mal müde vom Leben, mal psychopatisch grimmig ist und mal aufgelockert, mal Genre und mal Zweideutigkeit, mal (ein wenig) Cops & (ein viel) Robbers und mal Zeitporträt auch von einer Reise in die früheren und besseren Zeiten und von einem probierten Comeback. Ein kleiner und ein großer Film, Von einer Reise, die man nicht wiederholen kann und von einer Uhr, die nicht zurückzudrehen geht. Erstaunlicher als das Wie und das Überhaupt ist das Wer, wird die Geschichte von drei im Grunde unbekannten Männern geschrieben und von einem bis eben noch unbekannten, anders besetzten Trio aus ebenso Neu- und Quereinsteigern, zwischen Nachwuchsförderung und Arbeitsbeschaffungsmaßnahme auch inszeniert:
Kurz vor der Übergabe 1997 zurück an China, hat sich der bis dato als mit der Ak-47 seine räuberischen Streifzüge durchführende Yip Kwok-foon [ Richie Ren ] mitsamt seiner Mannschaft und leicht veränderten Aussehen selber aus HK in das Festland zurückgezogen, wo er sich mit Boss Fong [ Lam Suet ] dem Handel von Unterhaltungselektronik ein neues Leben unterhält. Als eines Tages seine Fuhre selber in seinem Beisein gestohlen wird und der fleißig geschmierte und hofierte örtliche Commander der Polizei [ To Yin-gor ] keine Hilfe, sondern weiterhin in abschätziger Haltung zu ihm ist, platzt Yip der Kragen. Eine eher zufälliges und gar nicht mal direktes Zusammentreffen von ihm und den ebenfalls Gaunerkollegen Kwai Ching-hung [ Gordon Lam ], einem Dieb und Polizistenmörder, und dem Entführer und Erpresser im großen Stil Cheuk Tze-keung [ Jordan Chan ] in einem Restaurant heizt passend dazu die Gerüchteküche an und bringt ihn auf eine Idee der Zusammenarbeit. Cheuk, der sowieso immer die Öffentlichkeit und den nächsten großen Kick sucht, ist von der noch inoffiziellen Idee auch angetan und begibt sich mit seinem Assistenten Old Dog [ Vincent Wan ] auf die Suche nach mehr Information und Kontakt, während Kwai gerade den nächsten Juwelenladen ausspioniert und sich deswegen und ohne diese Pläne wissenden früheren Mitarbeiter Fai [ Philip Keung ], einem frischgebackenen Vater, und dessen Frau Noon [ Thimjapo Chattida ] einquartiert hat.
Eine Erzählung weniger über die drei Männer, von denen einer ein Räuber, einer ein Dieb und der Dritte ein Kidnapper ist, sondern eine Collage über die Umstände, in denen sie leben, in denen sie emporgekommen sind und von dessen Überbleibseln sie heute noch existieren. Dass die Omnibus-Geschichte um 1997 beginnt, zur Rückübergabe der Metropole von Großbritannien an China und der Überkehr von einer Kronkolonie in noch eine Sonderverwaltungszone ist dabei natürlich kein Zufall, sondern vollends Absicht; ist der so genannte Handover schon lange zuvor der befürchtete Kahlschlag für die HK-Chinesen und oftmals auch der Grund für eine prophylaktische Immigration (nach vor allem Kanada) gewesen, und eine Phase der Umstellung, in der sich im Grunde alles geändert, alles verschoben und verzerrt, auch wenn manches davon erst später spürbar und dann so richtig schmerzhaft war und bis dato schleichend vonstatten ging.
Hier ist es neben der Politik vor allem die Wirtschaft, die die Leute zum Ändern ihrer bisherigen Gewohnheiten und Lebensverhältnisse fordert oder auch fördert, die veränderte Technik [vom Beeper zum Mobile Phone, Satellitenfernseher, VCD-Player usw.], die Eröffnung der Grenzen für die Gewinnung neuer Kundenstämme, die veränderten Gesetze, die kleinere Vergehen wie Schmuggel gleich mit der Todesstrafe ahnden und so andere Möglichkeiten des Geldverdienens entweder begünstigten oder erschweren. Bis die eigentliche Zusammenführung der Drei auf ihrem Gebiet spezialisierten Kriminellen passiert, ist schon die Hälfte der Laufzeit um, und dieses Three [Alternativtitel des Filmes, der aber zugunsten der zeitgleich gestarteten zweiten Milkyway Produktion Three, von Johnnie To selber geändert wurde] nur als Gimmick genutzt, als Clou, der die bis dato getrennt und unabhängig voneinander tätigen Verbrecher auch nur als Chiffren ursprünglich real existierender Personen und so nicht biographisch und auch nicht persönlich, sondern als Begleiterscheinungen eines Sittenbildes voll mit Zeit- und Lokalkolorit, mit Realismus, mit Satire und mit Sentiment einsetzt.
Statt den leer und hohl scheinenden, trotz all der bunten wuselnden Massen oft seltsam leblosen Beliebigkeitsbilder heutiger gängiger Metropolenfilme, allen voran die der nichtssagenden Komödien und Romantischen Komödien, die auch überall und nirgends spielen könnten, werden hier prägnante, ruhige, teils ikonische Einstellungen einer noch gar nicht so überlaufenen Ära gewählt. Heute längst vergangene, früher allzeit vorhandene Eindrücke, in denen das Flugzeug noch inmitten der Stadt landet und kurz vorher bei der Landung und später wieder beim Start nur wenige Meter über den Häuserschluchten und ihrem Antennenwald kreist.