Eine Kritik von "Angel Heart":
Die 16-jährige Mélanie (Naomi Amarger) ist eine aufgeschlossene, politisch interessierte junge Frau. Nach dem Tod ihrer geliebten Großmutter findet sie bei ihrer neuen Internetbekanntschaft Trost und ahnt nicht, dass sie ihr Chatpartner erfolgreich für den IS rekrutieren wird. Währenddessen wird die Wohnung der 17-jährigen Sonia (Noémie Merlant) von der Polizei gestürmt und somit ein geplantes Attentat verhindert…
Regisseurin Marie-Castille Mention-Schaar („Willkommen in der Bretagne“ 2012, „Die Schüler der Madame Anne“ 2014), die selbst einen 15-jährigen Sohn und eine 22-jährige Tochter hat, setzt sich in „Le ciel attendra“ (Originaltitel) mit den Anwerbeversuchen junger Französinnen durch den IS auseinander. Am Beispiel von 2 noch Minderjährigen zeigt sie auf, wie subtil eine junge Frau vom IS angeworben wird, während die zweite mit Hilfe einer Therapiegruppe den Ausstieg versucht. Ein drittes Mädchen wird nur namentlich genannt: es hält sich mittlerweile in Syrien auf, während ihre verzweifelte Mutter keinen Kontakt zu ihr herstellen kann, wissend, dass ihr Kind zur Selbstmordattentäterin werden soll. „Keine Minderjährige ist bisher aus dem vom IS besetzten Gebiet zurückgekehrt“. Regisseurin Mention-Schaar selbst übernimmt die Rolle der Leiterin der Therapiegruppe, einer Frau, die nicht nur ihren Schützlingen, sondern auch den Zuschauern mit eindringlichen Worten den Unterschied zwischen dem wahren Islam und dem Missbrauch der Weltreligion durch radikale Kräfte aufzeigt. Bitter nötig, wie auch eine Szene zeigt, in der die frisch angeworbene und konvertierte junge Französin eine muslimisch geborene und erzogene Mitschülerin weg schickt, weil sie, wie auch ihr eigener Vater, nicht den wahren Islam lebe. Bzw. das, was ihr per facebook und whattsapp als richtige Auslegung des Korans eingeredet wurde. Kein Wunder, dass sie glaubt, wenn sie bei einem Anschlag ihr Leben opfere, könnte sie 70 Angehörige und Freunde, inkl. Ihrer Eltern und ihrer kleinen Schwester retten.
Wie anfangs oft schwer durchschaubar die Einflussnahme der Radikalen verläuft, versucht die Regisseurin mit der verschachtelten Erzählweise ihres Dramas deutlich zu machen, was den Erzählfluss ein wenig hemmt und dem Zuschauer höchste Konzentration abverlangt. Doch diese sollte sowieso mitgebracht werden, schließlich ist das Wirken des IS auch außerhalb ihres Einflussgebiets weiterhin traurige Realität. Für Mittel- und Oberschüler sollte der intensive, zum Teil beklemmende Spielfilm Pflichtprogramm sein. Wehret den Anfängen! (8,5/10)