Eine Kritik von "Der Zerquetscher":
Ryan Reynolds und Jake Gyllenhaal, zwei der derzeit angesagtesten männlichen Stars im besten Alter, liefern sich einen Schlagabtausch mit einem Alien. Auf der internationalen Raumstation ISS. Das muss man erst einmal sacken lassen. Denn es klingt fast zu schön, um wahr zu sein. Jedenfalls für Connaisseurs kurzweiliger Unterhaltung.
Dem Team der Forscher an Bord der völkerverbindenden Station im Erdorbit gelingt es nachzuweisen, dass mikroskopisch kleines Leben auf dem Mars existiert. Eine weltweite Sensation, die live auf den Times Square übertragen wird. Aus Sicherheitsgründen wird dieser Fund jedoch nicht gleich nach Florida oder Texas weitergeschickt, sondern in Ruhe im vermeintlich sicheren All untersucht. Und das erweist sich in der Folge als ziemlich gute Idee, denn das winzig kleine Ding, dem da mit allerlei teuren Utensilien auf den Zahn gefühlt wird, wächst unerwartet schnell heran. Vor allem, nachdem es ihm gelungen ist, aus seinem Isolationsbehältnis auszubrechen und sich an einer Labormaus gütlich zu tun. Als schließlich die ersten Wissenschaftler verspeist werden, ist für die Crew endgültig Schluss mit lustig. Die Katerstimmung setzt ein. Doch wie bekämpft die zunehmend verzweifelte Besatzung einen Gegner, der sich frei in der Station umherbewegt und praktisch unbesiegbar ist?
Es ist die Grundidee von Ridley Scotts „Alien", die uns hier aufgetischt wird. Das ist per se nichts Schlechtes - nur munden muss es eben. Und das tut es bei Daniel Espinosa („Safe House", 2012), der sich hier erstmals ins Weltall wagt und der weiß, wie man einen gelungenen Thriller serviert. Dabei dreht es sich bei einem solchen Genrefilm nicht darum, das Rad neu zu erfinden, sondern wohl platzierte Hochspannungsmomente mit den - doch immer wieder gern gesehenen - Versatzstücken vertrauter Form und Größe zu einem delikaten Mix zu vermengen, der nicht (zu) nachgekocht wirkt und nicht (zu) abgestanden schmeckt.
Doch nicht nur der Science-Fiction Meilenstein von 1979 (der in ein paar Wochen sein inzwischen viertes Sequel nach sich zieht) ist die Matrize für Espinosas Horrorfilm, sondern auch Stanley Kubricks „2001 - Odyssee im Weltraum" (1968), dessen Geist in den leeren Korridoren der Raumstation reanimiert werden soll. Das allerdings wirkt gekünstelt und unpassend. Denn der sporadische Diskurs über das Wesen unserer Spezies und das allfällige Ende der Liebe unterbricht wiederholt das bemerkenswert spannende Szenario, ohne in Sachen philosophischer Intellektualität punkten zu können. Das ist ein bisschen schade, denn Christopher Nolan hat mit „Interstellar" (2014) erst unlängst vor Augen geführt, dass bei diesem Thema praktisch noch lange nicht alles gesagt worden ist, was theoretisch gesagt werden kann.
Es ist also nicht die Kreativität, die Espinosas alptraumhaften Trip lecker macht. Übrigens auch nicht der Einfallsreichtum des Creature-Designs. Hier bleiben Hans Rudolf Gigers „Alien" und Stan Winstons „Predator" auch heute noch state of the art. Es ist vielmehr die Kunst, beklemmende Momente und Adrenalinkicks aus einer insgesamt doch recht vorhersehbaren Prämisse herauszukitzeln. Der Gegner, der zunächst wie eine Pflanze aussieht, um dann bald voll entwickelt als krakenähnliches Dings über die Opfer herzufallen, wirkt trotz seiner arg computergestützten Form authentisch und bedrohlich. Dabei spielen die schier unendlichen Möglichkeiten der ihm zur Verfügung stehenden Mittel und sein eigentliches Reiseziel des blauen Planeten eine Rolle, die den ungleichen Kampf gegen das Monster in auffälliger Analogie zu Jake Gyllenhaals filmhistorischer Endzeitideologie zu einem Flirt mit der Apokalypse geraten lassen.
Ganz ein bisschen „Gravity" (2013) findet übrigens auch seinen Weg ins Potpourri des Endprodukts. Und das nicht zu dessen Nachteil. Denn wenn die Station während der Auseinandersetzung mit dem mitunter außen entlang der Hülle krabbelnden, unheimlichen Überlebenskünstler schweren Schaden nimmt, dann sieht das schick aus und wirkt für das heutzutage erdnussartige Budget von 58 Millionen Dollar opulent ins Werk gesetzt. Auch hier gilt: Gut geklaut ist besser als selbst versaut.
Eingangs, als die spätere Krake noch als zartes Pflänzchen auf seiner Petrischale sitzt, sieht es für einen kurzen Moment so aus, als sei es vorbei mit dem Wachstum und der Freude über die bahnbrechende Entdeckung. Da versucht der Biologe des Teams, den Setzling mit Stromstößen zu reaktivieren. Eine denkbar spannende Szene, denn wir ahnen, was passiert, wenn man die ultimative Gefahr herausfordert. Daniel Espinosas „Life" ist trotz seiner konstruierten Epik keine Odyssee durchs Weltall, sondern ein Schocker, der sich glücklicherweise immer dann auf seine Stärken besinnt, wenn es darauf ankommt, Stärke zu zeigen. In diesem Sinne darf ruhig gelobt werden, dass man sich um internationales Miteinander und Völkerverständigung bemüht, in einer Zeit, in der Egoismen und Selbstüberschätzung Trend sind. So besteht das Team nicht nur aus Amerikanern, sondern eint auch eine Britin mit einer sympathischen Russin und einem Bilderbuchjapaner. Dass leider der CGI-Einsatz nicht immer überzeugt, sondern bisweilen künstlich wirkt, mag dem Budget geschuldet sein, muss aber deshalb nicht gnädig durchgewinkt werden. Besonders die Gewaltszenen setzen zwar auf den Ekelfaktor, wären aber sicher noch eindringlicher gelungen, wenn ein wenig mehr Hand angelegt worden wäre. „Life" ist also insgesamt ein tolles Ding mit einigen Schauwerten und einer intelligenten Inszenierung. Der nächste endgültige Science-Fiction Film bleibt aber auch weiterhin, und auch nach „Interstellar" oder „Pandorum" (2009), ein Desiderat.