Eine Kritik von "Der Ewige Lawrence":
Eines vorneweg: Ich mochte Shape of Water nicht sonderlich, nicht nur dass ich der Meinung bin, dass Del Toro schon deutlich bessere Filme abgeliefert hat, auch fand ich sein Herangehen an diese Thematik irgendwie sehr forciert. Außerdem war ich wahrscheinlich in der falschen Runde im Film (wieso geht eine Horde biersaufender Kerle in diesem Film, ich werde diese Entscheidung nie verstehen, ich wollte lieber in Black Panther!). Und wer beispielsweise den Arnold Klassiker Das Ding aus dem Amazonas kennt, weiss auch, dass man evtl. sogar hätte mehr aus der Kreatur machen können. Das ändert aber nichts daran, dass selbst ich sehe, dass da wirklich viele derzeit relevanten Themen angeschnitten werden, und dass der Film für sich betrachtet doch seine unbestreitbaren Qualitäten hat.Die Story mal in Kürze: Eine in den 1950ern für eine geheime US-Organisation arbeitende stumme Putzfrau findet heraus, dass eines dieser Projekte ein aus dem Amazonas verschleppter Amphibienmensch ist. Beide verlieben sich ineinander und fliehen, nun die US-Regierung und der KGB auf den Fersen.Soweit so B-Movie, aber was Del Toro aus diesem simplen Pseudo-Plot herausholt ist eine äußerst genaue Parabell auf die allgemeine Situation, die eigentlich immer Gültigkeit hat:- Das Neue verdrängt das Alte- Hinter der Fassade des Normalen und Freundlichen ist zumeist immer das Häßliche Gesicht des Fremden-, Frauen-, Anders-Feindlichen- Das Individuum kann sich noch so mühen, das System hat ihm den Platz schon immer fest vorgeschrieben- Rassismus wird meistens mit Gönnerischem übertüncht- Jeder ist seines Glückes eigener Schmied (Hallo Phrasenschwein)- Das Kino von früher war ein Platz der Magie- Großartige Schauspieler können jeden noch so lächerlichen Plottwist glaubhaft vermitteln, wenn ein Meister sie führt- Es gibt nicht die eine Seite in jeglichem Konflikt, die absolut recht hatAllenthalben wurde in vielen Kritiken beispielsweise immer wieder davon berichtet, dass Michael Sheen das wahre Monster in diesem Film spielt, aber ich denke, das ist nur oberflächlich so, denn genau wie die Protagnoistin so hat auch Sheens Charakter einen ebenso ausgefeilten, der auch durchaus sehr glaubwürdig ist, und bei genauerem Hinsehen eigentlich mit eines der ärmeren Würstchen in diesem Monster von Film ist. Wenn es ein (oder mehrere) Monster gibt, dann sind es die Systeme, die Menschen nur als Material ansehen. Oder es ist die Gesellschaft, die unsere Protagonisten (alle Protagonisten in diesem Mikrokosmos) an den Rand drängen und sie letztlich auf diese brutale Reise schicken.Um ehrlich zu sein, ist dies wahrscheinlich Del Toros bester Film seit Pans Labyrinth (möglicherweise sogar der bessere Film, wobei ich das nicht ganz glauben will), und setzt Del Toros Analyse totalitärer Regimes messerscharf fort. Man sieht von der ersten Szene, dass Del Toro nicht einfach nur ein einfacher Monsterfilmer ist, sondern ein zutiefst intellektueller, sensibler Filmemacher, der ganz genau beobachten und erzählen kann, so gelingt es ihm, eine Tragödie griechischen Ausmasses zu verfassen, nur um das Publikum dennoch verzaubert zurück zu lassen.Das Szenenbild, die Requisitien, das Maskenbild, einfach alles ist perfekt aufeinander abgestimmt, und man kann in jeder Szenerie eine Allegorie oder einen Querverweis ausmachen. Bis jetzt frage ich mich, was er uns mit den schwarzen Fingern sagen will?Sally Hawkins nimmt uns irgendwie mit ihrer Rolle, die irgendwo zwischen Mauerblümchen, Revolutionär, Verliebt und Bizarr oszilliert komplett ein, die restliche Riege steht dem kaum nach.Was gibt es also, das mich an diesem Film stört?Möglicherweise dass Del Toro irgendwie immer in Richtung Preise schielt: Zum einen biedert er sich extrem an, indem er seine obligatorische Kinoanbetung hinein baut, sowas mögen die Festivalleute und anderen Preisverleiher. Das ändert an der Qualität des Films nichts, ist für mich aber nur ein rotzfreches Anbiedern. Eines das retrospektiv betrachtet, komplett aufgegangen ist. Und das Andere ist, jetzt da die Preisverleiher dem Film ihre Aufmerksamkeit zuteil werden lassen, muss Del Toro seinen Film einfach vollstopfen mit diversen Themen: Frauenrechtsbewegung (MeToo-Debatte), Rassenthematik, Ost/West-Konflikt, Homosexuellen-Bewegung, Die Vereinsamung von Menschen am Rande der Gesellschaft, Konsumkritik, Die Ignoranz der Industrieländer gegenüber dem Erbe aussterbender/bedrohter Welten usw..., die Liste liesse sich wahrscheinlich wirklich unendlich fortführen.Wenn man also den Film ganz nüchtern betrachtet ist er wirklich richtig gut, und fängt an, seine Ziele komplett zu transzendieren ab dem Moment, wo eine extrem sinnliche Sequenz das Tageslicht erblickt und eine Nummernrevue im Stil des guten alten Hollywood präsentiert wird.Aber wie gesagt, die kleineren angesprochenen Kritikpunkte, gepaart mit der falschen Begleitung minderten den Gesamteindruck doch vehement.Abschliessend noch ein Wörtchen zur Preisverleihungssaison Frühjahr 2018: In wahrscheinlich jedem anderen Jahrgang wären die massigen Preise durchaus gerechtfertigt gewesen sein (so ehrlich sollte man sein), denn der Film ist wirklich gut, und zeigt, wie gut Del Toro sein kann, wenn man es sich erlaubt, ihn von der Leine zu lassen, aber in diesem Jahr gab es doch den einen Film, der diesen Film eigentlich komplett in die Schranken weisen sollte, da es der Glücksfall eines Filmes ist, wie er höchsten mal alle 20 Jahre gedreht wird. Die Rede ist von Three Billboards, natürlich. Das soll aber nicht heissen, dass Shape of Water ein alltäglicherer Film, denn auch dies ist der Glücksfall eines Filmes, wie es ihn vielleicht alle 50 Jahre einmal gibt.Wenn ich das alles so Revue Passieren lassen, komme ich fast nicht umhin, ihm doch 9 Punkte zu geben, obwohl ich ihm eigentlich 8 Punkte geben wollte. Naja, für meine Begleitung kann der Film ja nichts.9 Punkte