Eine Kritik von "Leimbacher-Mario":
Die Angst vor der Angst
Mit "Martyrs" hat Pascal Laugier vor über 10 Jahren ein unvergessliches Horrormartyrium geschaffen, das gleichzeitig sein Höhepunkt wie der der französischen Hardcorehorrorwelle war. Es war einer dieser bleibenden Filme, der reicht um einen Regisseur unsterblich zu machen. Doch dass der Franzose kein One-Hit-Wonder ist, bewies er schnell mit interessanten Werken wie "The Tall Man", die zudem bewiesen, dass er sich selbst in Hollywood nicht verbiegen lässt. Nun ist er zurück mit einem Paukenschlag. "Ghostland" ist einer der besten Horrorschocker unter 90 Minuten. Ever. Ein bissiges Werk voller Aggressivität und Atmosphäre, Härte und Gefühl, Ausweglosigkeit und Mut. Laugier ist fast zurück auf seinem Zenit und liefert mit diesem Terrorkinokleinod einen frühen Höhepunkt des Jahres. In Sachen Schlagkraft, in Sachen Härte, in Sachen Erbarmungslosigkeit. Nie geht der Finger an die Bremse, das Tempo ist schwindelerregend. Definitiv ein harter Hund, der auch in geübten Horrorheads wunderschön-unangenehme Unruhe auslösen kann. Wer mal wieder Adrenalinfutter braucht, hat keine Ausrede sich "Ghostland" nicht anzugucken. Macht dich kaputt. Baut dich wieder auf. Nur um dich dann wieder kaputt zu machen. Wringt einen kraftvoll durch den Fleischwolf. Lässt frische Panik auf Urängste treffen.
Irgendwo zwischen Lovecraft und King, Home Invasion und Haunted House, Alptraum und bodenständiger Härte, Torture Porn und Angstgemälde, Surrealismus und Realismus, bleibt "Ghostland" tief im Gedächtnis und unter der Haut. Lange hat mich ein Kinogang nicht mehr derart mitgenommen. Zumindest im Genre. Genau so etwas sucht doch der abgestumpfte Genrekopf. Zur Story will und kann man kaum viel sagen, doch es geht um einen traumatischen Einbruch, um Angst und Verdrängung, um Mut dagegen zu halten und über die Schmerzgrenzen hinaus zu gehen. "Ghostland" vergeudet keinen Moment und ist nicht halb so zahm wie der generische Titel vermuten lassen könnte. Eine Zeit lang dachte ich sogar, wir sehen gerade ein waschechtes Horrormeisterwerk. Verschachtelt, ultraintensiv, fast physisch spürbar. Von netten Twists über zwei aufopferungsvolle Leading Ladies bis hin zu einer kochenden und unablässigen Stimmung, die man in Hollywood vergebens suchen kann. Zu dem Zeitpunkt nervten mich nur ein paar unnötige JumpScares, die neben den absolut bösen "Eindringlingen" nur noch lächerlicher erschienen. Dann kam das letzte Viertel, die Handlung überschlug sich, wirkte gleichzeitig erschöpft und der ganz große Wurf war hin. Trotzdem bleibt eine Daumenzange von Hardcore-Thriller, der keine Gefangenen macht, kaum Luft zum Atmen lässt und einen Vorwärtsdrang hat, dass es knarzt im Gebälk. Von einem der gruseligsten und vollgestopftesten Horrorhäusern der jüngeren Vergangenheit ganz zu schweigen. Eine echte Achterbahnfahrt in Teufels Eingeweide.
Fazit: rigoroses Alptraumfutter und ein echter Terrorbrocken. Im Geiste schon irgendwie ein "Martyrs"-Nachfolger. Laugier bleibt eine Stimme, mit der man im Horrorbereich rechnen muss. Wäre das Ende ein wenig außergewöhnlicher, dann hätte ich gar nichts zu meckern. Kurz, knackig und höllisch intensiv bleibt dieser Trip dennoch. Daumen hoch!