Eine Kritik von "jororo":
Robin Hood 2018
Ach du Schande. Was war das denn?
1984 lief im deutschen Fernsehen die Serie „Robin of Sherwood“, bei uns Zuhause stand immer eine Ausgabe von Howard Pyles „Die Abenteuer des Robin Hood“. Ich bin mit der Robin Hood Legende aufgewachsen und sie hat mich immer fasziniert. Robin of Sherwood ist meine Lieblingsserie, Bar none. So sehr ich bei Deep Space Nine oder Game of Thrones mitgefiebert habe, die Helden meiner Kindheit sind Norbert Langers He-Man und Michael Praeds Robin Hood. Auch sonst sehe ich jede Verfilmung, die mir vor die Augen kommt, so auch die 2018er Variante. Hätte ich es bloß gelassen… Auf dem Cover wird Egerton (gut in „Rocketman“) als „jüngster Robin Hood“ beworben – öhm, Devon Sawa wirkte deutlich jünger, Michael Praed auch, das animierte Schlitzohr von Sherwood sowieso und es gibt eine Animeserie die Robin Hood als Kind zum Helden hat. Wenn dieser Schmarrn doch schon der Tiefpunkt wäre…
In der ersten Sequenz erfahren wir, dass Adlige im Mittelalter ja so ein leichtes Leben hatten, machen konnten, was sie wollten und ganz offen mit ihren Herzchen rumschmusen konnten. Das ist komplett ahistorisch und nimmt dem Film jede Bodenhaftung. Die Liebesgeschichte funktioniert so gar nicht und Robin Hood wirkt als komplett grüner Junge, was ja Entwicklungspotential bieten würde, also abwarten. Vollkommen überhastet geht es in die Kreuzzüge, die ganz doll schlimm sind, aber so gar nichts in Robin of Loxleys Charakter auslösen und eigentlich nur so eine Art Assassins Creed Szene sind, mit Rumhüpfen und Pfeilmaschinengewehr (ich wünsche mir, ich würde mir das ausdenken). Das Ganze endet damit, dass Robin einem Mauren (der viel dunkler ist, als er sein sollte) die Hand abschlägt und es nicht schafft, dessen Sohn zu retten. Dafür (also den missglückten Versuch. Der Sohn ist tot, die Hand ab) ist der Maure Robin so dankbar, dass er ihm nach England folgt. Weil Robin Gefangene befreit, darf er nämlich nach Hause. So war das im Mittelalter halt bei Hochverrat… zuhause stellt er fest: 1. Sein Besitz ist weg. 2. Seine Frau ist weg und hat einen neuen. 3. Sein einhändiger Maure ist da. Und war das alles bisher nicht besonders gut, wird es jetzt richtig schlecht. Was man jetzt in einem Anfall von kompletter Drehbuchdiarrhöe macht, ist, die Story in eine mittelalterliche Superheldengeschichte zu verdrehen. Weil wegen, äh, Marvel und so. der Maure hat einen unaussprechlichen Namen (er spricht akzentfrei Englisch, Arabisch kann keiner aussprechen…), den man aber mit „John“ übersetzen kann – ja, aus dem riesigen Schäfer aus Haversham macht man hier einen normalgroßen Araber. Wie kreativ! Wie divers! Ähm, habe ich mal die Fernsehserie Robin of Sherwood erwähnt? Da gehörte ein Araber zum Hauptcast, Nazir. Man hat eine eigenständige, faszinierende Figur geschaffen, statt auf Biegen und Brechen eine andere umzudeuten. (Little) John ist aber nicht nur bester Freund, sondern wird zum AlfredObiwanKenobimentorgedöns, der Robin ausbildet und auf seine Aufgabe vorbereitet – inklusive GEHEIMIDENTITÄT. Ich glaub es nicht, aber man macht aus Robin „The Hood“, während Loxley so tut, als stünde er auf Seiten des Sheriffs. Das ist dämlich und unpassend – und aus Zorro geklaut. Ja, wir klauen ohne Not von anderen Figuren, bei denen so ein Konstrukt Sinn ergibt. Hier tut es das nicht.
Der Unsinn geht dann eine Weile hin und her (wenigstens ist der Sheriff schön böse, aber auch kein Vergleich mit Nicholas Grace und Alan Rickman), es gibt eine unmotivierte Dreiecksgeschichte (baucht man für das Ende, das das Tor für ein ganzes Franchise öffnet *pruuust*) und einen katastrophalen Tuck (der hier kein Friar sondern normaler Stadtpriester ist. Das ergibt wie alles andere auch keinen Sinn, ist aber so), mündet in einem Bankett mit reichlich Kirchen- und Reichenkritik (die erstens komplett unmotiviert und zweitens im historischen Kontext komplett unpassend ist)und einem vollkommen absurden „Kalif-anstelle-des-Kalifen“ Plot, der auf etwa einem Dutzend Ebenen strunzdämlich ist (was die Geschichte angeht, die Bedeutung Nottinghams, die Motivation usw.) und führt schließlich in ein Kraachbummfinale, das den Schund zum Ende bringt, nicht ohne „genialen“ Endtwist, in dem der abgelegte Lover der weiblichen Heldin (mit dem sie unverheiratet zusammen wohnt. Im Mittelalter. Nachdem sie vorher was mit Robin hatte vor aller Augen. Unverheiratet. Im Mittelalter) zum zukünftigen (*gröööhl*) Bad Guy wird. Das hätte vielleicht funktioniert, wäre der nicht von Anfang an kreuzunsympathisch gewesen.
Urgh. Story- und charaktermäßig ein Totalunfall. Robin killt böse Soldaten, ohne darüber nachzudenken (absolut unpassend. In jeder Fassung seit dem 18 Jahrhundert tötet er nur, wenn es nötig ist, bei Pyle geschieht das nur zwei Mal), lässt Normalbevölkerung beim Endkampf ohne Bedenken vom Schlitten rutschen, meint aber im Bezug auf einen seiner Kumpel „Entweder schaffen wir es alle, oder keiner.“ Während rechts und links namenlose good guys geschnetzelt werden, was ihn nicht stört. Marian soll „stark“ sein, hat aber null Charakter. Tuck hat nichts mit der Legende gemein. Optisch ist das okay, die Action ist nett, hat nur leider null Effekt, weil einem die Figuren irgendwo vorbei gehen.
Es gibt Robin Hood Filme, die schlechter gemacht, aber der Gesamteindruck hier ist einfach nur katastrophal. Nichts an diesem Film funktioniert und das Ergebnis ist ein Schlag ins Gesicht jedes Robin Hood Fans. Bitte nie mehr so einen Müll!