Eine Kritik von "Leimbacher-Mario":
Unkenntliche Weiten
Ein über sieben Jahre (!) mit nur minimaler Crew und noch weniger Budget gestrecktes, auf die Beine gestelltes Sci-Fi-Projekt aus Deutschland. Führt das bei euch direkt mal zu extremer Neugier und großem Grundrespekt oder eher zu deutlicher Abschreckung und Skepsis? Ganz egal was vorher eure Gedanken sind - „Das Letzte Land“ von Marcel Barion wird während seiner beeindruckenden und bedrückenden, engen und beängstigenden, intimen und menschlichen fast zwei Stunden jegliche Zweifel mit stoischer Ruhe davonblasen - zumindest wenn ihr auf kleine Sci-Fi-Perlen und Indierohdiamanten wie „Dark Star“, „The Noah's Arc Principle“, „Moon“ und jüngst „Prospect“ steht. Ja, in dieser Liga spielt dieses dreckig-düstere Kleinod. Kein „Alien“. Aber auf jeden Fall ein Erfolg.
In dem stetig wachsend atmosphärischen „Das Letzte Land“ treffen sich zwei fremde Männer in einem brachliegenden, sehr kleinen und beengten Raumschiff. Auf einem scheinbar recht lebensfeindlichen Sandplaneten. Draußen stürmt's, drinnen erkennt man nach anfänglicher Feindseligkeit, dass die erweiterter Blechbüchse es noch tun könnte. Und dann beginnt ein Aufbruch in das tiefschwarze Nichts, geprägt von Einsamkeit, Hoffnung, mysteriösen Piepsgeräuschen und technischen Problemen. Letzteres zum Glück nur am Raumschiff im Film - nicht an seiner generellen Umsetzung. Denn diese ist exzellent. Erst recht für ein solches gefühltes „Drei-Mann-Projekt“ mit viel Blut, Schweiß, Tränen und Geduld. Beide Darsteller spielen mehr als passabel und kennen sich gefühlt richtig gut (wie sollte das nach einer solch ausdauernden Drehzeit auch anders sein), die Dialoge wirken nur selten deutsch-steif, die Atmosphäre ist fühlbar, klaustrophobisch und die Einsamkeit, Verlorenheit, Lebensunwürdigkeit im All überträgt sich maximal auf uns Zuschauer. Zumindest ging es mir so. Das Schiff ist dreckig und echt, versprüht fast Nostromo-Vibes, die weiten Aussenshots vom All und fremden Sternen, Nebeln, Systemen sind ebenfalls über jeden Zweifel erhaben, sehen täuschend echt aus. Das Sounddesign passt, es entsteht insgesamt ohne Frage ein Sog und ein fieses Gefühl.
Dass der Film über eine derart immense Zeitspanne im Keller (!) der Beteiligten gedreht wurde, ist quasi nicht zu merken und schlicht unglaublich. Außerdem muss ich bei einer solchen Produktion natürlich ein wenig Patriotismus und Stolz unterdrücken, denn sowas sieht man von hier äußerst selten. Um nicht zu sagen nie. Das erfordert mehrfaches Hutziehen und löst bei mir fast Freudensprünge aus. Würde in der Geschichte doch nur etwas mehr passieren, wären beide Figuren charakterlich etwas interessanter, wäre das Ende nicht ganz so offen, wäre das Bild in manchen Ecken etwas heller und wäre die Laufzeit vielleicht ein wenig kompakter - tja, dann wäre meine Wertung noch höher. Aber auch so ist das alle Ehre wert und eins der dicksten Empfehlungsschreiben für Grösseres, das in den letzten Jahren aus dem deutschsprachigen Raum kam. Ein Genuss. Mit Abstrichen. Aber dennoch ein Genuss.
Fazit: unfassbar gut und authentisch und beeindruckend aussehender Sci-Fi-Slowburner aus deutschen Landen. Darauf kann man mächtig stolz sein. Was für ein detailliertes Leidenschaftsprojekt, das sich vor internationaler Konkurrenz absolut nicht verstecken muss und das man Anhängern solcher Weltraumkammerspiele wärmstens empfehlen will, muss, kann. Selbst wenn er im Grunde arg ereignisarm ist und man schon Sitzfleisch, Geduld, Disziplin massiv braucht. Aber die Gesamtkomposition ist erhaben. Verloren gut.