Eine Kritik von "McClane":
„Hellboy – Call of Darkness“, im Original ganz im Sinne des Reboot-Charakters nur „Hellboy“ genannt, löste bei der Ankündigung zwiespältige Gefühle aus. Einerseits hatte Guillermo del Toro sich mit Herzblut der Mike-Mignola-Comics angenommen, hatte charmante Fantasy-Action-Spektakel mit Witz und Sympathie für Monster geschaffen. Andrerseits waren beide Adaptionen kommerziell nur begrenzt erfolgreich, weshalb ein dritter del-Toro-Film wohl nicht mehr drin war und beim Reboot durch Millennium Films immerhin mit Neil Marshall ein ebenfalls im Genre verwurzelter Regisseur übernahm.
Del Toro erweist „Hellboy – Call of Darkness“ aber dennoch mehrfach Tribut, so etwa in der ersten Sequenz in der Gegenwart, in welcher der titelgebende Dämon und paranormale Ermittler Hellboy (David Harbour) im Auftrag der Behörde B.P.R.D. nach einem verschwundenen Kollegen in Mexiko sucht. Der ist allerdings mittlerweile zum Vampir mutiert, räumt beim Lucha Libre, dem mexikanischen Wrestling, ab, und fordert Hellboy zum Kampf – auf Leben und Tod. Die Verweise auf del Toros Heimat Mexiko und dessen Kultur, die (nur angerissene) Tragik des Monsters, das einen Freund töten muss – all das sind kleine Verbeugungen vor dem Vorgängerregisseur.
In der Eröffnungssequenz ist dagegen bereits die Hauptantagonistin, Nimue (Milla Jovovich), die Blutkönigin, zu sehen, deretwegen der Film auch den Arbeitstitel „Hellboy: Rise of the Blood Queen“ trug. Die mächtige Hexe Nimue überzog das Land dereinst mit einer Pest und kommandierte Monsterhorden, doch durch einen Verrat ihrer Hexengefolgschaft gelang es König Arthur (Mark Stanley) sie zu erschlagen und ihre Körperteile über die Welt verstreut bestatten zu lassen. Das wird die Handlung in der Folgezeit nach England verlegen, also Neill Marshalls Heimatland, wobei dort in erster Linie einige Außenszenen gedreht wurden – den Großteil des Films fabrizierte Millennium Films in seinen Studios im Ostblock.
So soll Hellboy einerseits einem Ritterorden in England bei der Jagd nach drei marodierenden Riesen helfen. Andrerseits macht sich ein Feenwesen mit Schweinekopf im Auftrag der Hexe Baba Yaga auf die Suche nach Nimues Einzelteilen und setzt die Blutkönigin wieder zusammen. Schon bald kreuzen sich die Wege Hellboys und der Schurken, die eh noch eine Rechnung mit dem Dämonen offen haben…
Ein Reboot soll es also sein, eine Neuausrichtung, irgendwie düsterer und härter, deshalb auch mit R-Rating. Gleichzeitig will „Hellboy – Call of Darkness“ auch ein wenig auf der „Deadpool“-Welle surfen, dessen sarkastischen, reflexiven Humor mit übernehmen, doch die Melange ist unausgegoren, da gerade letzterer Ansatz nur hier und da verfolgt wird. Da streut der Erzähler mal ein „Ja genau, der König Arthur“ in den Off-Kommentar hinein, aber es bleibt bei derartigen Einsprengseln. Und die greisenhafte B.P.R.D.-Agentin, die auch mal zur Flinte greift und von Hellboy tatsächlich einen Ausweis sehen will, weil es eben Vorschrift ist, die hätte es auch schon bei del Toro geben können. Sowieso: Da steigt der Film eigentlich direkt ins Geschehen ein, ohne Origin Story und andere del-Toro-Elemente, scheint sich abnabeln zu wollen, und was passiert dann? Man bekommt die Origin Story und andere Scherze doch noch nachgereicht, womit „Hellboy – Call of Darkness“ leider sehr wackelig auf eigenen Beinen steht, sich trotz der Versuche Sachen anders zu machen als eher mäßig inspirierter Franchiseverwalterkram erweist.
Vor allem wird ein Unterschied zu den del-Toro-Filmen ebenso schnell wie schmerzlich bewusst: Wo sich del Toro sowohl für die ruppigen, freakigen Seiten als auch für den emotionalen Haushalt seiner monströsen Protagonisten interessierte, da ist es bei Neil Marshall und Drehbuchautor Andrew Cosby nur ersteres. Hellboy ist ein Typ, der viel säuft, mehr oder weniger gelungene Oneliner klopft und sich die Hörner flext wie andere Leute sich rasieren, aber eben auch nicht mehr. Ein struppiger, verlotterter Held mit großer Klappe und netter Schale unter hartem Kern, bei dem aber alle Versuche von Vertiefung Behauptung bleiben: Sein Hadern mit der eigenen Herkunft, die Ziehvater Professor Broom (Ian McShane) ihm jahrelang verschwieg, seine Beziehung zu Alice Monaghan (Sasha Lane), die er als Baby aus der Hand diebischer Feen rettete. Nichts davon will so wirklich für sich einnehmen, alles bleibt an der Oberfläche.
So könnte „Hellboy – Call of Darkness“ sicherlich als reiner Fantasy-Actionfilm dann durchaus Laune machen, aber auch da wechseln sich Licht und Schatten ab. Als größtes Problem erweist sich auch hier das Drehbuch, das teilweise arge Schwierigkeiten mit der Verbindung seiner Set-Pieces hat. Warum Hellboy von A nach B muss, von der Kooperation mit dem Ritterorden über Scharmützel mit der Blood Queen hin zum Treffen mit dem Geist Merlins – all das ist viel zu unorganisch, baut oft auf Zufälle und Willkür. Würde etwa eine Figur an einer Stelle nicht verwundet werden, würde Hellboy nicht auf die Suche nach einem Heilmittel gehen, bei der er gleichzeitig wichtige Infos für seine Mission bekommt, die er andrerseits nicht erhalten hätte.
Aber zwischendrin gibt es immer wieder Szenen, in denen Film, Titelfigur, Regie und Creature Designer sich mal austoben können. Das Budget ist niedriger als bei den Höllenjungen von del Toro, was man manchem CGI-Effekt auch ansieht, aber in Sachen Creature Design stehen die Kreativleute den früheren Verfilmungen kaum nach: Da tauchen groteske Feenwesen auf, da haust Baba Yaga in einem verschnörkelten Haus auf Hühnerbeinen, da gehen die Geisterbeschwörungen der übersinnlich begabten Alice eher in den Bereich des Body Horror usw. Leider kann man die Arbeit und Liebe zum Detail oft gar nicht so bewundern. Im Finale etwa steigen Höllenwesen in London auf, die aussehen als ob sie beim Kaffeekränzchen von Hieronymus Bosch, Francisco Goya und H.P. Lovecraft erdacht worden wären, ziehen ein paar unschuldige Opfer auf links – und tauchen nach rund 30 Sekunden Wüten nie wieder so richtig im Film auf. Sowieso: Der Film mag sein R-Rating mit überzeugenden handgemachten und weniger überzeugenden CGI-Schmaddereien durchaus ausnutzen, wirkt aber immer etwas hingeworfen dabei. Es werden diverse mehr oder weniger unschuldige Leute dahingemetzelt, aber das ist zu wenig gruselig zur Erzeugung von Grauen, zu unlustig für Funsplatter und die Opfer sind zu egal, um damit das Ausmaß der Bedrohung wirklich zu verdeutlichen.
Der Mix aus praktischen Tricks und Computer-Unterstützung spielt auch in die Actionszenen hinein. Mal darf die Stuntcrew sich austoben, etwa wenn Lobster Johnson (Thomas Haden Church) in der Origin-Story-Rückblende unter Naziwachen aufräumt, mal ist in erster Linie Effektcrew gefragt, gerade bei den Kloppereien der Superwesen. Manchmal ist das inszenatorisch durchaus pfiffig gemacht, etwa bei Hellboys Kampf gegen die Riesen, in dem die Kamera Lorenzo Senatores dem Helden durch das Gewimmel folgt, bei dem Hellboy (und der Zuschauer gleich mit) den Überblick behalten muss. Manchmal ist das Ganze allerdings eher dröger Standard, was vor allem auf das Finale zutrifft. Eine coole Idee spart sich Marshall für eine Nachklappactionszene auf, in der Hellboy und seine Getreuen zu den Klängen von Mötley Crües „Kickstart My Heart“ unter Feinden aufräumen und damit den Abspann einleuten – und den treibenden Song nicht so wie „Shoot ‘Em Up“ zur reinen Credituntermalung verschwenden. Natürlich bleiben am Ende noch Handlungsfäden offen, die Post-Credit-Sequenz teasert geradezu das angedachte Sequel inklusiver neuer und alter Schurken an.
Hauptbezugspunkt des Ganzen ist David Harbour, gerade dank „Stranger Things“ ganz heiß im Geschäft, und der macht seine Sache auch nicht schlecht. Schlechter als Ron Perlman zwar, aber der war auch die Idealbesetzung. Harbour legt seinen Hellboy als verständnisvolles Raubein in der Tradition seines „Stranger Things“-Sheriffs an und macht das auch recht gut, hat eher Probleme damit, dass das Drehbuch ihm nicht immer tolles Material an die Hand gibt. Das dagegen bekommt Ian McShane, der zwar nur Support bleibt, aber in seinen Szenen regelmäßig den Film zu klauen droht. In weiteren markanten Nebenrollen leisten Sasha Lane und Daniel Dae Kim, als tougher B.P.R.D.-Veteran, Brauchbares, während Milla Jovovich als Blutkönigin bei geringer Screentime Akzente zu setzen weiß: Ihre Schurkin ist herrisch, mörderisch, aber auch von nachvollziehbaren Motiven getrieben, was sie etwas komplexer als einen bloßen Bösewicht mit Weltbeherrscher-Phantasien macht. Für eine kurze Gastrolle schaut Thomas Haden Church vorbei, der Rest vom Fest dagegen ist wenig prägnant und erwähnenswert.
So bleibt mit „Hellboy – Call of Darkness“ unterm Strich ein Film, der nicht direkt schlecht, aber einfach reichlich egal und uninspiriert ist. Neill Marshall und seine Crew verwalten das Erbe del Toros mit wenigen eigenen Ideen, die der Film viel zu selten wirklich ausspielen darf, kriegen keinen einheitlichen Ton zwischen düsterem Splatter und lockerer „Deadpool“-Coolness auf die Kette und haben wenig Sinn für die Figuren. Dank einiger gelungener Set-Pieces, einem starken Creature Design und einiger starker Darsteller ist „Hellboy – Call of Darkness“ aber noch ganz okay, trotz des eher mauen Scripts. Überzeugende Reboots sehen dann aber doch anders aus.