Eine Kritik von "McClane":
Bereits in „Fast & Furious 8“ mussten die Alphatiere Hobbs und Shaw zusammenarbeiten, unter anderem auch deshalb, weil Franchise-Star Vin Diesel die neuen Platzhirsche sehr kritisch beäugte und nicht zu viel Screentime mit ihnen teilen wollte. Folgerichtig gibt es nun das Spin-Off unter der Regie von „John Wick“-Co-Regisseur David Leitch: „Hobbs & Shaw“.
Mit diesem Film verlässt die eh schon nicht gerade für Bodenhaftung und physikalische Glaubwürdigkeit bekannte „Fast & Furious“-Reihe endgültig das Terrain noch irgendwie in der Realität verorteter Action und begibt sich in den Science-Fiction-Bereich vor. Schon die Eingangssequenz wartet mit dem Maschinenmenschen Brixton Lorr (Idris Elba) auf, der eine kugelsichere Rüstung trägt und „Terminator“-mäßig Daten über seine Gegner auf die Netzhaut projiziert bekommt. Er fährt ein fernsteuerbares Motorrad und sucht nach einem Supervirus, den man auf eine bestimmte DNA programmieren kann, weshalb er einen MI6-Trupp überfällt, der das Virus gerade sicherstellen will. Agentin Hattie Shaw (Vanessa Kirby) kann mit der Fracht entkommen – aber nur, indem sie sich diese selbst injiziert.
Moment mal, Shaw? Genau, das ist die (bisher noch nie erwähnte) Schwester von Superkiller Deckard Shaw (Jason Statham), der in London seinen Dienst tut, so wie sein früherer Kontrahent, der Gesetzeshüter Luke Hobbs (Dwayne ‘The Rock‘ Johnson) in Los Angeles. Deren Leben wird in amüsanten Parallelmontagen gegeneinander gesetzt, während jeder auf seine Weise auf die Spur des Virus bzw. des geheimen Tech-Konzerns Eteon, der Brixton danach jagen lässt, kommt. „Hobbs & Shaw“ betont damit deutlich mehr die Buddy-Comedy-Züge der Reihe, denn trotz der Parallelen der beiden Bad Asses setzt der Auftakt vor allem deren Unterschiede in Szene.
Die CIA heuerte die beiden Streithähne an, die eine Zusammenarbeit erst ablehnen, im Angesicht Brixtons und der weltumfassenden Bedrohung durch das Supervirus dann doch kooperieren. Dabei drängt die Zeit, denn sie müssen den Stoff innerhalb von drei Tagen aus Hatties System hinausbekommen…
Seit der Ära Justin Lins, der die Teile 3 bis 6 verantwortete und damit die Ausrichtung der Reihe entscheidend prägte, haben sich die „Fast & Furious“-Filme ähnlich wie die „Mission: Impossible“-Reihe entwickelt: Eher sekundäre Plots dienen als Showcases für zunehmend verrückte und kreative Actioneinlagen. Doch während die Reihe um Ethan Hunt immer noch den entscheidenden Rest Bodenhaftung bewahrt, verabschiedet sich die Boliden-Saga spätestens mit diesem Film davon – würde man das Ganze „G.I. Joe 3“ nennen, der Unterschied würde kaum auffallen. Zu den bereits genannten Sci-Fi-Elemente kommen die verformbaren Motorräder der Schurken, die auch aus „Transformers“ stammen könnten, und wenn Brixton sich als „Black Superman“ bezeichnet, dann wird schon klar, dass die Unterschiede zu den Superhelden-Adaptionen nur noch marginal sind – nur dass diese eben ganz klar in phantastischen Gefilden spielen, zumal manche DC- und Marvel-Adaption geerdeter wirkt als „Hobbs & Shaw“. Dabei hat man hierfür David Leitch als Regisseur verpflichtet, der mit seiner Arbeit an „John Wick“ und „Atomic Blonde“ eigentlich als Experte für furiose Action eher handgemachter Natur prädestiniert war.
Jedoch scheint dieser sich eher am Nummernrevuecharakter seines letzten Films „Deadpool 2“ zu orientieren, wo diese Melange dort aber zum Konzept des selbstreflexiven Spektakels gehörte und funktionierte. „Hobbs & Shaw“, den seine beiden Stars auch als Produzenten prägten, kommt dagegen von Hölzchen auf Stöckchen, scheint von Einflussnahmen seiner Macher geprägt. Der in früheren Leitch-Filmen beschäftigte Actionstar Daniel Bernhardt schaut hier als Handlanger Brixtons vorbei, darf aber kaum zulangen und wird somit verschenkt, Ryan Reynolds hat eine Gastrolle mit „Deadpool“-artigem Plappermaul, während an anderer Stelle Dwayne-Johnson-Kumpel Kevin Hart für einen klamaukigen Gastauftritt auftaucht. Das zentrale „Fast & Furious“-Thema Familie betrifft dieses Mal nicht nur die Shaw-Familie, sondern im dritten Akt auch Hobbs, wobei seine Herkunft (und die seines Darstellers) aus Samoa ausgeschlachtet wird. Für Statham gibt es eine Anspielung auf seine Rolle in „The Italian Job“ und eine angedeutete Liaison mit der russischen Kriminellen Madame M (Eiza González), die aber nur kurz auftaucht, aber sich für eventuelle Sequels in der Hinterhand gehalten wird.
Denn Sequels sind hier ganz klar eingeplant: Hinter Brixton und Eteon steht ein geheimnisvoller, Blofeld-artiger Direktor, den man hier noch nicht zu Gesicht bekommt, der aber gegen Ende eine persönliche Verbindung zu den Helden anteasert. Leider wird bei alledem nur zu klar, dass hier niemand mehr großen Wert auf Kohärenz und Story legte, Hauptsache es ist Raum für die nächste Idee da. Da kann man dann im Finale durch eine mäßig nachvollziehbare Drehbuchvolte die Waffen der Schurken lahmlegen, damit man sich nur mit Prügeln kloppt, als wolle man „Braveheart“ und Co. nachspielen. Das wirkt alles sehr bemüht, ebenso wie das Familienthema, das jetzt in seiner x-ten Ausprägung deutliche Abnutzungserscheinungen zeigt, zumal die Reihe dafür ja immer wieder Familienmitglieder aus dem Hut zaubert, die in zig Vorgängerfilmen seltsamerweise nie erwähnt wurden. Und Shaw deutet man immer weiter zum eigentlich ganz coolen, nur eben auf die schiefe Bahn geratenen Typen um, als hätte es seine Morde und Verbrechen in „Fast & Furious 7“ nie gegeben.
Auch die Reibereien zwischen Hobbs und Shaw wirken manchmal etwas forciert, nachdem sie schon im Vorgänger zusammenarbeiteten, sich hier erst mit einem gekünstelten Beleidigungsmarathon überziehen, ehe sie sich im Finale dann gegenseitig als „Bruder“ bezeichnen. Immerhin nimmt sich „Hobbs & Shaw“ nicht allzu ernst, die toughe Hattie hat ein paar Seitenhiebe auf die Machokultur der Titelhelden im Köcher und der eine oder andere Oneliner sitzt ebenso wie die Situationskomik, etwa wenn Shaw herausfinden muss, welche der zig gerade von ihm ausgeschalteten Wachen ein Gesicht besitzt, auf das ein Türscanner reagiert.
Die Chemie zwischen den Hauptdarstellern Dwayne Johnson und Jason Statham war im Vorgänger auch etwas besser, doch die beiden erweisen sich erneut als Charmebolzen und durchaus reizvolle Paarung, die nur einen besseren Film verdient hätte. Doch als Macho-Prollo-Helden spielen sie sich gekonnt die Bälle zu, auch wenn Johnson manchmal zu sehr ins Kaspern verfällt. Vanessa Kirby ist ein großer Gewinn als Frau, die sich zwischen den beiden Alpha-Männchen zu behaupten weiß, im Gegensatz zur kaum im Film ankommenden Eiza González und der in einer sehr unwürdigen Gastrolle versauernden Helen Mirren. Idris Elba ist ein ganz brauchbarer Schurke, verschwindet als Darsteller aber manchmal zu sehr hinter den Gimmicks seiner Terminator-artigen Figur, während in Nebenrollen Eddie Marsan als russischer Wissenschaftler und Cliff Curtis als Hobbs-Bruder gelungenen Support abliefern.
Neben diversen Besetzungscoups und der früher noch frischen Familienthematik ist natürlich die Action das Hauptverkaufsargument der „Fast & Furious“-Reihe und ausgerechnet da schwächelt „Hobbs & Shaw“. Was auch daran liegt, dass er viele handgemachte Stunts durch offensichtlichen CGI-Einsatz ersetzt und das ist nun doch eher Verrat an der Fangemeinde. Gerade die Flucht aus einem Laborkomplex hat unschönen Videospielcharakter, bei dem zu viele Fahrmanöver aus dem Rechenknecht kommen. Da ist es dann Balsam für die Seele, wenn im Finale echte Autos durch einen Parcours echter Explosionen fahren, während eine Hubschrauber-contra-Autos-Nummer dort dann wieder nur mit massivem Computer-Einsatz bewerkstelligt werden kann – da helfen dann auch Anspielungen auf den ersten „The Fast and the Furious“, genauer gesagt den Nitro-Booster-Einsatz in den Straßenrennen, nicht viel. Nur in den Nahkampfszenen beweisen Leitch und Fight Choreographer Greg Rementer ihre Kompetenzen vollends zufriedenstellend: Die sind meist stark choreographiert, wobei vor allem ein Duell zwischen Hobbs und Hattie herausragt, denn der Film kann sehr genau vermitteln, wie die wesentlich zierlichere Frau sich durch Grappling und den Einsatz eines Motorradhelms behaupten kann. In der Finalschlägerei bewegt sich manch übertriebener Zeitlupeneinsatz bei Treffern ins Gesicht zwar nah an der Grenze zur Selbstparodie – aber ernst nimmt sich die Reihe ja schon seit einer Weile nicht mehr, da fällt das nicht ins Gewicht.
Doch wie schon der direkte Vorgänger bricht „Hobbs & Shaw“ den unausgesprochenen Vertrag zwischen „Fast & Furious“-Reihe und Zuschauern: Der Zuschauer fragt nicht zu sehr nach Bodenhaftung, Plausibilität oder Story, erhält dafür aber einfallsreiche Stunts und Action in einem zumindest irgendwie kohärenten Plot. Letzteres leistet das in Science-Fiction-Gefilde driftende Nummernrevue-Drehbuch von Chris Morgan und Drew Pearce dann nicht mehr überzeugend und viele Actionsequenzen werden durch überdeutlichen CGI-Einsatz geschädigt, zumal „Hobbs & Shaw“ manchmal himmelschreiend doof ist. Schade um die gute Besetzung, gerade die gut gelaunten Hauptdarsteller, und den handgemachten Actionanteil, gerade die meist stark choreographierten Fights.