Eine Kritik von "Leimbacher-Mario":
Clown King of Comedy
„Joker“ zeigt die Entstehungsgeschichte von Batmans größtem Widersacher - doch Todd Phillips ist hier noch mehr gelungen als „nur“ das. Viel viel mehr... Erzählt wird von Arthur Fleck im Dreck & Dunstkreis, im Hexenkessel der 70er des fiktiven Gotham City. Eine Stadt, voller Schmutz, Hass, Neid, Egoismus, Gewalt und ganz nahe am Abgrund. Ohne Empathie und Wärme. Und Arthurs Werdegang zum Joker und Symbol des „Aufstands“ gibt einer Gesellschaft mit äußerst kurzer Lunte dann scheinbar den letzten Stoß über die Klippe...
„Joker“ erweitert ähnlich wie es „Logan“ oder „The Dark Knight“ taten die Grenzen einer „Comicverfilmung“ und liefert ein Erlebnis, über das man sich gut und gerne unterhält, dass sicher auch etwas polarisieren kann und dass ein Bild des Jokers zeichnet, wie man es derart detailliert, emotional und eindringlich, auch menschlich und verstörend, so noch nicht gesehen hat. Klar benutzt der Überraschungshit des Jahres einige Punkte und Elemente aus großen (ihm noch immer überlegenen) Klassikern, seinen deutlichen Vorbildern wie „Taxi Driver“, „Network“, „Do The Right Thing“ und „King of Comedy“, auch Schimmer aus „The Killing Joke“, „V For Vendetta“ und der Nolan-Batman-Trilogie kommen immer wieder durch. Dennoch ist dieser „Joker“ alles andere als eine bloße Kopie. Er ist in erster Linie ein ganz bitteres Charakter- und Gesellschaftsporträt. Grandios gespielt von Phoenix. Mehr als das. Nehmt all die Lobeshymnen über ihn ruhig mit ins Kino, er wird euch dennoch positiv überraschen und immer einen oben drauf legen. Oscarwürdiger und heftiger kann man das nicht rüberbringen, von seinem beeindruckenden Körper bis zum schmerzhaften „Lachen“. Obendrauf gibt es einen feinen 70s Look, als ob man Scorsese mit düsteren Comics kreuzt, einen äußerst edlen Score + Soundtrack und einige kleinere Bezüge zu den Waynes als Einordnung ins größere Ganze. Auf Letzteres hätte ich aber sogar verzichten können. Denn hier geht’s ganz und gar um einen kaputt gemachten, am Boden angekommen Mann, seine Krankheiten und inneren Dämonen, seinen eigenen Kosmos, seinen traurig stimmenden Werdegang und die noch trauriger machende Reaktion einer asozialen, aus dem Ruder gelaufenen Welt. Und vor allem Letzteres hat eine solche Strahlkraft und Relevanz, Abschreckung und Direktheit, Persönlichkeit und Intimität, Aktualität und Realismus, dass davon keiner unberührt bleiben kann. Und was gibt es Schöneres und für sich Sprechenderes, als wenn man über einen Film mit Freunden und Gleichgesinnten stundenlang diskutieren kann?!
Fazit: „Joker“ ist ein kraftvolles Porträt einer kaputten, abschreckenden Gesellschaft, eine realistische und niederschmetternde Darstellung von psychischen Störungen und weit mehr als nur eine weitere „Comicverfilmung“. Selbst wenn er Elemente größerer Werke recycelt und für sich nutzt, ist er doch ein potentes, elegantes, ungeschliffenes und mutiges Stück Kino, von dem man kaum die Augen nehmen kann und das (leider) nicht näher, schmerzhafter am Zeitgeist sein könnte. Da bleibt fast jedes Lachen im Hals stecken. Wichtiges, wuchtiges, wahnsinniges Teil. Ganz im Sinne des Jokers und ein würdiger Film für einen der größten Bösewichte der Popkultur.