Eine Kritik von "Psst!":
Altersbedingte Unzurechnungsfähigkeit
Vorsicht: SPOILER!!!
Sylvester Stallone hatte im letzten Jahrzehnt bei mir hoch gepunktet, als er Rocky zum sechsten und Rambo zum vierten Mal in Aktion brachte. Die "Expendables" waren weniger meins, insofern freute ich mich tatsächlich auf "Rambo: Last Blood". Aus dem Kino gekommen bin ich aber doch eher enttäuscht.
Das liegt an vielen Dingen, die sich insgesamt so zusammenfassen lassen: Rambo V entwickelt einfach keinen Drive und Charakter.
Sowohl Drehbuch als auch Regie und technische Umsetzung bleiben hinter ihren Möglichkeiten zurück. Das Was und das Wie haben mich schlichtweg nicht erreicht. Es gibt keine einzige Szene, die eine ähnlich sentimentale Wirkung erzielen könnte, wie es beispielsweise der Vorgänger 2008 in seinen Schlussszenen nach dem Gemetzel schaffte. Dabei hatte Regisseur Adrian Grünberg mit "Get the Gringo" einen mir durchaus zusagenden Film geschaffen, der Mel Gibson als schlitzohrigen Knastinsassen in Mexiko an vergangene Unterhaltsamkeit anschließen ließ.Damals mangelte es Grünberg allenfalls an einer klaren Linie und emotionale Momente waren nicht so seine Sache und bei „Last Blood“ wirkt es nun, als hätte er ein Drehbuch Seite für Seite umgesetzt, ohne eine eigene Idee der Figuren oder gar ein stilistisches Konzept zu entwickeln. So gibt es hier zwar natürlich einen Showdown, aber der kommt nicht mehr wie eine sich stetig steigernde Fieberkurve daher wie noch 2008 in „John Rambo“. Die extreme Eskalation wird beim Zuschauer nicht mit der entsprechenden Dramaturgie vorbereitet und wirkt mit ihrem überbordenden Gewaltgrad tatsächlich selbstzweckhaft und unpassend.
Das besagte Drehbuch erweist sich als überraschungsarmes Sammelsurium, was nicht weiter schlimm gewesen wäre, wenn die zur Serie gehörende Emotionalität funktioniert hätte. Hat sie aber nicht. Die Familiengeschichte um den ewigen Einzelkämpfer passt einfach nicht so recht, bzw. wird sie nicht so dargeboten, dass sie mich mitgenommen hätte. Als die Story stark Richtung "Taken" abbiegt, ein Vergleich, der tatsächlich unausweichlich ist, hofft man noch, dass das Ruder herumgerissen wird, aber die Inszenierung der grausamen mexikanischen Mädchenhändler und des Martyriums der Mädchen ist schlampig umgesetzt und wenig ergreifend. Sogar der Tod von Rambos Nichte zündet nicht so wirklich und ich halte dies für eine wirklich schlechte Idee. Erst verpasst man Rambo eine Familie, dann lässt man sie sterben... Eine Befreiung des Mädchens mit anschließender Verteidigung seines kleinen Friedens hätte mich als Zuschauer mehr mitgenommen, vor allem, wenn es sich um den Abschluss der Serie handeln soll. Da hätte man eher Rambo das Zeitliche segnen lassen können.
Die Bösewichte wirken auch blass, besonders der finale Gegner kann nicht einen Punkt setzen. Letztlich wird ihm die Rolle durch einen einzigen Satz zugewiesen. Sein zuvor erledigter Film-Bruder wäre von der Präsenz her besser geeignet gewesen, zum Ziel von Rambos Rache zu werden. Der Konflikt zwischen den Brüdern wird dann auch nur angedeutet. Muss reichen.Dass mal wieder die trump'schen Drogendealer/Vergewaltiger, vereinzelt auch Mexikaner genannt, als Bösewichte herhalten müssen (was in der Reagan-Ära die Russen, sind nun die Mexikaner), klingt auf dem Papier vielleicht nicht schlecht, wird aber wirklich vollkommen dünn ausgearbeitet.
"John Rambo" bediente sich 2008 als letzter Beitrag der tobenden Gewalt in Burma als Schablone und zeigte für einen Actionfilm auf wohl unangemessene Weise die Grausamkeiten an den Einwohnern. Allerdings schaffte er auch eine fiese Atmosphäre, die letztlich das Schlachtfest zum Ende hin vorbereitete. Der Feind gab da irgendwie ein in sich stimmiges Bild ab, das natürlich mit dem groben Pinsel gemalt war, aber in seiner Funktion vollkommen reichte.Das Problem mexikanischer Kartellkriminalität wird anno 2019 aber nicht genutzt, um ein Fundament für eine griffige Story zu schaffen. Der Blick wird allein auf die Martinez-Brüder verengt. Mexiko besteht nur aus drei kleinen Schauplätzen, die Tragweite der Gewalt gegen tausende Frauen in Teilen Mexikos, die ja nicht nur dort bedrückende Realität ist, wird nicht vermittelt. Hier wäre deutlich mehr drin gewesen, wenn man sich beispielsweise thematisch ähnlich gelagerte Filme wie „Sicario“ vor Augen führt.
Wenn man dann nach gut einer Stunde stark durchwachsender Unterhaltung und Charakterzeichnung zum Finale gelangt, wirkt der Versuch, durch vollkommen überzogene Gewalt das Ruder herumzureißen, etwas hilflos. Das Massaker regt dabei durchweg zum Lachen an, so comichaft wirkt die Darstellung der Dezimierung der bösen Buben zu "Backdoor Man" von den Doors.Die mäßigen CGI-Effekte lassen wir mal außen vor. Als Rambo dann dem Antipart sein noch schlagendes Herz (!!!!!) vor Augen hält, lief mir tatsächlich eine Lachträne über die Wange. Das letzte mal habe ich das Jim Carrey in "Dumm und Dümmer" machen sehen. Unglaublich! Bereits im Vorgänger fragte man sich, was mit Stallone nicht stimmt, wenn er beispielsweise Kehlköpfe herausriss, vom Einsatz des schweren Maschinengewehrs ganz zu schweigen. Aber hier wird das Zerstören menschlicher Körper vollkommen unmotiviert in ungeahnte Höhen getrieben. Der in Nahaufnahme festgehaltene offene Bruch eines Schlüsselbeins mit der Drohung "Ich breche es gleich ab!" ist da nur der Vorgeschmack. Fast scheint es, als habe Stallone einen Fetisch für Verstümmelungen entwickelt, den die Produktion hier ungebremst aufgreift. Fast schon Fulci, nur hektischer.
FAZIT
Was bleibt, ist ein zusammengewürfelter, unspannender Film, der seine emotionalen Momente nicht verkauft bekommt und eher aus der Serie herausfällt als sie zu einem Abschluss zu bringen. Die Story und deren Inszenierung leisten sich zu viele Fehler, die beinahe den Eindruck erwecken, man habe dem Projekt kaum Beachtung geschenkt. Der Beginn mit dem Unwetter, die lange Hinführung zum Handlungskern, der sorglose Umgang mit zentralen Figuren - Hier stimmt nur wenig. Auf jeden Versuch, hier tiefergehende Kommentare zur gesellschaftlichen Verfassung oder zum Entwicklungsstand westlicher Zivilisation herauszulesen, sage ich nur: „Hurz!“Und während die teils bedrückende, teils belustigende Brutalität im Vorgänger eine markige Ansage war, so wird sie hier zur Farce und zerstört mehr den popkulturellen Mythos Rambo als ihm ein würdiges Denkmal zu setzen. Stallone selbst hatte im Vorgänger ein wesentlich besseres Händchen für Story und Regie bewiesen. "John Rambo" war in Sachen Kameraarbeit, Dramaturgie, Musik und Charakterisierung eine gelungene Ikonisierung einer da bereits zum Kulturphänomen gewordenen Figur. "Rambo: Last Blood" schneidet in allen Belangen schlechter ab und lässt einen mit dem Eindruck zurück, dass man vieles ohne großen Mehraufwand hätte besser machen können. Schon schade. 5 ist Stallones Pechzahl. Er hätte Nr. 5 überspringen und gleich Teil sechs machen sollen, anstatt ihn nur dezent anzukündigen.