Eine Kritik von "Sauza":
Eine Tumor-Diagnose hebt die Welt des dänischen Versicherungsvertreters Max (Nikolaj Coster-Waldau) komplett aus den Angeln: mit Anfang Vierzig an sich noch viel zu jung dafür muss er sich von einem auf den anderen Tag damit befassen, nicht mehr lange am Leben zu sein. Mehr noch, das auf das Gehirn drückende Krebsgeschwür wird ihn und sein Verhalten stark verändern, wie ihm prognostiziert wird. Max, glücklich verheiratet mit seiner Frau Lærke (Tuva Novotny), versucht zunächst, die Diagnose geheimzuhalten, bis ihn ein Kollaps am Arbeitsplatz ins Spital bringt - seine Gattin, nunmehr über die Lage unterrichtet, ist mit der Situation jedoch genauso überfordert.
Nach einigen erfolglosen Selbstmordversuchen bringt eine um die Versicherungssumme kämpfende Kundin, deren Mann spurlos verschwand, Max im Zuge seiner diesbezüglichen Recherchen schließlich auf eine möglicherweise auch sein eigenes Problem lösende Spur: ein gewisses Luxushotel "Aurora" im benachbarten Schweden bietet im Internet seine Dienste um einen humanen, selbstgewählten, vor allem aber friedfertigen Freitod an. Bei Max rattern jetzt die Gehirnzellen: solange er noch "er selbst" ist, friedlich abzutreten, damit seiner Frau, vor allem aber sich selbst ein qualvolles Leiden zu ersparen, klingt nach einer gangbaren Lösung. Ein Telefonat und einen Flug später sitzt Max bereits im Empfangsbüro der splendiden Unterkunft für Sterbewillige und bereitet mittels ärztlichen Dossiers und Kreditkarte seinen eigenen Abgang vor. Ein unumkehrbarer Entschluß, der durch nichts mehr rückgängig zu machen sei, wie er vor Vertragsabschluß belehrt wird. Und Max unterschreibt...
In Suicide Tourist widmet sich Regisseur Jonas Alexander Arnby dem hochkomplexen und äußerst konträr diskutierten Thema Sterbehilfe, indem er seinen Hauptdarsteller und damit das Publikum vor die schwierige Frage stellt, ob man den Zeitpunkt seines eigenen Todes vorherbestimmen darf. Mittels eines bewußt völlig eigenschaftslosen Durchschnittstypen auf genau diese Kernfrage fokussiert, läßt das Drehbuch seinen Max dann die folgenreiche Entscheidung treffen: um den Preis, sich nicht (mehr) von seiner geliebten Frau verabschieden zu können, dafür jedoch einen seiner Ansicht nach würdevollen Tod zu haben, wählt Max die Option, in der luxuriösen Abgeschiedenheit sein Leben zu beenden.
Einmal eingecheckt, ergeben sich für Max dann jedoch Momente, in denen er das beobachtete Verhalten anderer Gäste in Relation zu seinem eigenen Schicksal setzt: begleitet von einigen Flashbacks und melancholischen Tönen, die eine eigenartige Stimmung heraufbeschwören, beginnt er, über seine weitreichende Entscheidung nachzudenken. Die Darstellung der anderen Insassen, wie beispielweise der schwatzhaften Nachbarin, der blonden Animateurin oder des jungen Mannes, der Max zu einem Joint überredet, gehören zu den stärksten Momenten des Films.
Natürlich reichen 90 Minuten nicht einmal ansatzweise, die vielen Aspekte einer solchen Freitod-Entscheidung auch nur zu berühren, und so entschloß sich die Regie, 24 Minuten vor dem Ende (mit einem Kracher im doppelten Sinn des Wortes) die Story auf der Krimi-Ebene zu Ende zu führen.
Leider erfährt man über die Geschäftsbedingungen des Sterbe-Unternehmens so gut wie nichts, gerade mal einen ebenso kurzen wie skurrilen Einblick in die Wahlmöglichkeit der späteren Leichenaufbewahrung bzw. Verwendung (wie z.B. umweltfreundliche Kompostierung etc.) gewährt das Drehbuch. Filmdramaturgisch mag das verständlich sein, doch speziell die finanziellen Aspekte rund um die Sterbekandidaten wie auch das nicht näher begründete Verbot des Verlassens des Areals wären einer eingehenderen Betrachtung im Sinne von Spannung durchaus wert gewesen.
Aber um Spannung geht es Suicide Tourist sowieso nicht, vielmehr hinterläßt das sehr ruhige Drama mit seinem Mystery-Touch unter Verzicht auf jegliche moralische Bewertung eine ganze Menge an Gedanken und Überlegungen, die über das Filmende hinauswirken. 8 Punkte.