Eine Kritik von "Der Zerquetscher":
Der Himmel zieht zu. Das Firmament verfinstert sich zu schwarzem Obsidian. Abertausende in elegantem Schwarz lackierte Sternenzerstörer warten im Orbit eines dunklen Planeten, in einem versteckten Winkel des Kosmos, aufgereiht wie die Autos auf einem Supermarktparkplatz, auf ihre Einsatzbefehle. Eine endlose Prozession stählerner Wiedergänger. Die Antwort auf die berechtigte Frage, wer diese geradezu apokalyptisch wirkende Masse aus Stahl aus dem Hut gezaubert hat und wer es ist, der hier in Bälde die Order ausgeben wird, jeden organisierten Widerstand im Universum zu pulverisieren, steht in diesem dritten Teil der dritten Trilogie von „Krieg der Sterne" nicht in den Sternen, sondern wartet am Ende in einem gigantischen Grusel-Tempel voller Geister. Den muss Rey, die Hauptfigur dieses Märchens, schließlich betreten, um ihr Schicksal zu erfüllen und die Galaxis vor der Unordnung der „Letzten" (wenn auch mit Sicherheit nicht der allerletzten) „Ordnung" zu bewahren.
Da sind sie wieder, die jungen Epigonen von Luke Skywalker, Han Solo und Co. Da ist Rey, die diesmal sogar ein wenig für ihr bisher aus dem Ärmel geschütteltes magisches Können trainiert (wenn auch nur betont gelangweilt und fahrig). Da ist Finn, der auch im dritten Part so blass bleibt wie im ersten. Da ist Poe Dameron, alias Oscar Isaac, der inzwischen endlich gelernt hat, dass Männer auf Frauen hören sollten. Außerdem ist da Kylo Ren, gespielt vom einzig formidablen Mimen dieser Truppe, dem tollen Adam Driver. Doch vertraut das Familienunternehmen Disney vermutlich zu Recht nicht allein auf die Wirkmächtigkeit des Nachwuchses, denn auch alle Eltern werden wieder (und wieder) eingeladen mitzufeiern und dafür zu sorgen, dass sich Nostalgie und Heimweh einstellen. Nahezu alle einst im Fokus stehenden Charaktere der Reihe treten hier erneut aus dem Nebel der Vergangenheit auf eine Bühne, die über weite Strecken ungewohnt lichtlos und monochrom gehalten bleibt. Passend dazu gibt es ein düsteres Wiedersehen, das man so gar nicht für möglich gehalten hätte. Dennoch soll sich hier natürlich nicht Grabesstimmung, sondern Feierlaune einstellen, die Post abgehen und die Party des Jahres steigen. Und zwar eine, die nicht nur im Bild, sondern auch vor dem Schirm begangen werden soll. Also wuseln bald alle Streichel- und Kuschelviecher (wenn auch oft nur kurz) durchs Bild, die man so kennt - von den Porgs bis zu den Ewoks. Dazu gibt es einen Joda-Ersatz mit Namen Babu Frik, der zwar nicht zaubern kann, dafür aber Grammatik halbwegs beherrscht und hin und wieder ein Späßlein macht.
Überhaupt geht Disney nach den Box-Office-Erfahrungen der letzten Jahre mit seinem Höher-schneller-weiter auf Nummer sicher. Nicht nur, dass kein Star-Wars-Familientreffen je so gut besucht gewesen wäre, auch die dunkle Bedrohung, die sich hier auftut, war nie so überdimensioniert. Jeder einzelne der Legionen an Sternenzerstörern trägt nämlich eine sogenannte „Starkiller-Kanone" an seinem Rumpf, mit der er jeden beliebigen Planeten im All in seine Bestandteile zerlegen kann. Klingt brandgefährlich. Ist es in der Folge natürlich nicht. Es ist allenfalls Indiz dafür, dass es dem Franchise wenigstens in seiner eigentlichen Reihe nicht mehr gelingt, die so lieb gewonnene Story sinnvoll weiterzuspinnen. Bisher bedurfte es eines eigenen „Todessterns", ein Geschütz dieser Größe zu tragen. Jetzt werden solche endzeitlichen Waffen sozusagen im Vorbeigehen beliebig montiert. Vergleichbar willkürlich werden verstorbene Hauptfiguren reanimiert, reanimierte Hauptfiguren beerdigt, bahnen sich Liebeleien und Freundschaften an, nur um in diesem aufmerksamkeitsgestörten Wirrwarr an Konstellation verlorenzugehen. Dazu passen die bei Marvel geklauten Hin-und-Her-Hüpf-Choreographien aus dem Computer, die auch im Jahre 2019 noch nicht natürlich aussehen und mit dem sich stets daran anschließenden, vor Entschlossenheit strotzenden, offenbar obligatorischen Blick über die Schulter bestenfalls jüngere Semester begeistern dürften. Hier wie dort wirken unseligerweise die Dialoge hölzern, phrasenhaft und konsensual. Alles in allem ist „Star Wars: The Rise of Skywalker" mehr zeitgenössisches Produkt denn apartes Filmschaffen.
Dabei hat „Star Wars: The Rise of Skywalker" seine Momente. Immer noch gelingt es JJ. Abrams, dem nicht ganz zu Unrecht viel kritisierten Regisseur dieses Kinokassen-Pflichtsiegs, und seinen Landschaftsarchitekten, Settings und Kulissen zu finden und zu arrangieren, die verzaubern. Deren Idylle oder Schattenreich in den Bann ziehen. Der Zweikampf etwa zwischen Rey und Kylo Ren auf den Bruchstücken eines Todessterns inmitten der tosenden Fluten eines Urmeeres erinnert wohlig an früher Gewohntes und hat durchaus visuelles Suchtpotential. Die in den Wellen wogenden, rostigen Trümmer stahlgewordenen Zerstörungswahns erinnern überdies ganz bewusst an die ausgeglühten Wracks des Zweiten Weltkriegs, die im südlichen Pazifik auch heute noch, nach siebzig Jahren, in schauriger Feierlichkeit zum Frieden mahnen. Überhaupt ist die Beziehung Reys zu Ben Solo/Kylo Ren das erzählerisch Interessanteste an diesem neunten Teil. Es ist nämlich nicht vorhersehbar, wo die ideologischen und moralischen Dilemmata der beiden die durchaus gefühlvolle Geschichte hintreiben. Schade, dass sich solche Substanz auflöst in geradezu urknalligen Zaubereinlagen, die selbst Harry Potter oder Gandalf bedröppelt zurücklassen würden. Trotz der natürlich immer schon - in Maßen - verwendeten übersinnlichen Elemente der Reihe wirkt der hier stiebende geomagnetische Sturm schlicht aus dem Rahmen gefallen und demonstriert anschaulich, wie überladen teure Großproduktionen derzeit angeblich sein sollten.
„Star Wars: The Rise of Skywalker" ist just der Film, den sich viele erwartet hatten. Visuelles Happening, das in seiner handwerklichen Qualität restlos überzeugt, übertüncht die ernüchternde Firmenpolitik Disneys, Kreativität für wirtschaftliche Sicherheit zu opfern. Zwar war es so angedacht, doch ist hier nichts zu spüren von filmhistorischer Epik eines Formats wie „Der Herr der Ringe: Die Rückkehr des Königs". J.J. Abrams‘ Geschichte führt nur einmal mehr vor Augen, dass „viel" nicht notwenderweise „viel hilft". Zu Recht muss sich das Franchise längst mit Serien, Spin-Offs, Cartoons und Spielzeug behelfen, um seinen Status zu wahren. Und so nachdenklich das eigentlich stimmt, Qualität und Reiz dieser Fantasiewelt leiden nicht nur nicht unter dieser symptomatischen Entwicklung - sie werden durch sie am Leben erhalten.