Eine Kritik von "vodkamartini":
Die guten alten bösen Jungs
Wer hätte das gedacht. Inmitten einer nimmer enden wollenden 80er-Retrosause wird ein Film zum Hit, der eins zu eins dem bis dato kaum bemühten Folgejahrzehnt entsprungen scheint. Und nicht nur das. Er kopiert praktisch täuschend echt den Regiestil eines gewissen Michael Bay, der mangels relevanter Leinwanderfolge inzwischen ins deutlich bequemere Netflix-Paradies entflohen ist. Und schließlich wartet er auch noch mit der Sensationsmeldung auf, dass Will Smith offenbar ein Gegenmittel gegen seine Kassengift-Malaise gefunden hat. Ja, die bösen Jungs sind wieder in der Stadt und das nach einer beinahe 20-jährigen Abwesenheit.
Keine Frage, das Kino der letzten beiden Dekaden ist nicht nur eines der Reboots, Prequels und Sequels, sondern ganz besonders auch eines der sehr späten Heldenrückkehr. Ob der Terminator, der Blade Runner, die Ghostbusters, John McClane, Indy oder Rocky und Rambo, so ziemlich jeder Recke mit Kultstatus wollte es noch mal wissen. Eigentlich haben wir da eher auf Martin Riggs und Roger Murtough gewartet als auf Mike Lowry und Marcus Burnett, aber zur Not nehmen wir auch die.
Und aus der Not wird ja bekanntlich manchmal eine Tugend, auch wenn die beiden bekanntlich alles andere als tugendhaft sind. Zumindest nicht Mike, Schürzenjäger und Macho-Gockel vom Dienst. Die Kabbeleien zwischen dem coolen Womanizer Mike und dem vergleichsweise biederen Familienmenschen Marcus waren zweifellos das Salz in der auch visuell und rhythmisch schon recht schmackhaften Action-Suppe ("Bad Boys", 1995). Genau diese Grundzutat ist es dann auch, die dafür sorgt, dass der späte dritte Teil so überraschend gut mundet.
Die Chemie zwischen Will Smith und Martin Lawrence ist ein Pfund, mit dem sich noch immer prächtig wuchern lässt, das kann man nicht spielen, das hat man. In bester Screwball-Manier knallen sich die beiden die Kalauer um die Ohren und nehmen dabei auch sich selbst ordentlich aufs Korn. Auf Seiten Mikes sind das sämtliche Porschefahrer-Klischees, sein schneller Abzugsfinger und sein überbordendes Selbstbewusstsein im Geschlechterduell. Marcus dagegen hat sich inzwischen buddhistischen Lebensweisheiten verschrieben, versucht sich in der ungewohnten Opa-Rolle und steht nach wie vor unter dem Pantoffel seiner rigorosen Gattin. Das hat Witz, das hat Pfeffer und das sitzt beinahe durchgängig.
Natürlich sind die Bad Boys vor allem ein schlagkräftiges und schießfreudiges Cop-Duo, das in seliger Miami Vice-Manier die sonnige Metropole von Verbrechern aller Art säubert. Das war unter Michael Bay besonders laut, besonders stylisch und besonders druckvoll. Die beiden Belgier Adil El Abri und Bilall Fallah scheinen große Bewunderer der Bayschen Inszenierungskunst zu sein, jedenfalls bildet ihr „Bad Boys for Life" mit den beiden Vorgängerfilmen eine optische und stilistische Einheit, zwischen die kein Blatt Papier passt. Die Feuergefechte und Autoverfolgungsjagten sind exakt im Rhythmus des wummernden Score geschnitten, die großkalibrigen Explosionen haben Feuerwerkscharakter. Immer wieder gibt es rasante Hubschraubershots entlang der Strandpromenade und Skyline Miamis, die Farben sind knallig, bunt und grell und komplettieren dieses Franchise-typische Miami Vice auf Ecstasy Feeling.
Inmitten dieses knalligen Spektakels gibt es natürlich auch noch so etwas wie eine Krimihandlung. Die mag zwar nicht sonderlich komplex oder anspruchsvoll sein, dafür wartet sie mit ein paar gelungenen Wendungen und hohem Tempo auf. Zudem sorgt sie für Spannung, denn Mike steht ganz oben auf der Abschussliste eines mexikanischen Killers. Zunächst nimmt der allerdings eine Reihe hochrangiger Justiz- und Kriminalbeamte ins Visier, die allesamt mit der Zerschlagung des berüchtigten Aretas-Kartells zu tun hatten. Mike, seinerzeit als Undercoveragent eine Schlüsselfigur der Ermittlungen, soll dann als letzter sterben.
90 Millionen US-Dollar ließen sich die inzwischen von Sony geschluckten Columbia Pictures den Spaß kosten. Das ist ordentlich, aber weit unter den Kosten aktueller Blockbuster wie „Fast & Furious", „Star Wars" oder diverser Superheldenabenteuer von Marvel oder DC. Eine kluge Entscheidung, denn so konnte man austesten, ob die Marke noch funktioniert und einen etwaigen Verlust gering halten. Natürlich wurde ein potentieller vierter Teil zur Sicherheit dennoch angeteasert, aber das scheint heute bei jedem Franchise obligatorisch.
Das Kapital wurde jedenfalls wertig angelegt, denn „Bad Boys for Life" kommt schick poliert daher. Der Film glänzt und röhrt wie Mikes nachtblauer Porsche Carrera. In „Bad Boys II" (2003) fuhr er noch einen Ferrari 575 Maranello, der perfekt mit der Protzigkeit und Dekadenz, der in jeder Hinsicht über Stränge schlagenden Inszenierung harmonierte. Aber es nicht nur der fahrbare Untersatz, der sich deutlich aufs Original bezieht. Alles ist wieder eine Spur geerdeter und vor allem auch geschmackssicherer als beim überbordend prolligen Krawumm-Vorgänger. Die Sprüche sind nicht ganz so zynisch, die Gürtellinie wird zumindest als Grenzbereich wahrgenommen und die Gewaltspitzen loten nicht genüsslich geschmackliche Grenzbereiche aus. Nicht, dass es besonders zimperlich, oder gar zahm zugehen würde. Das für solche Filme als Gütesiegel geltende PG13-Rating ist berechtigt und verdient. Klassisches Familienkino bedienen auch die betagteren und gesitteteren Bad Boys dankenswerter Weise nicht.
Der für viele überraschend große Erfolg der unerwarteten Reunion gibt der Back to the roots-Ausrichtung jedenfalls recht. Die 1980er mögen das popkulturell einflussreichere und kultigere Jahrzehnt sein, aber die 90er sind deshalb noch lange nicht substanz- oder gesichtslos. Im direkten Vergleich sind sie zudem filmisch weit weniger ausgetrampelt und geplündert, was auch eine Erklärung für die erstaunliche Frische der dritten Bad Boys-Party sein mag. Und überhaupt, wenn der Gegner im Rücken zu stark scheint, dann nimmt man einfach den vor der Nase. Im Film erhalten die beiden Cop-Urgesteine Hilfe von einer jung-dynamischen Hightech-Truppe (Advanced Miami Metro Operations). Die Generationen-Frotzeleien zwischen der AMMO-Einheit und dem Duo Lowrey/Burnett sind besonders launig, stehen aber gleichzeitig auch für einen Coolness-Wettkampf zwischen 90er und Nullerjahren. Wobei Mikes ganz persönliche AMMO-Definition - it „is a High School Musical boy band with guns" - nicht den geringsten Zweifel aufkommen lässt, wer hier als Sieger vom (Schieß-)Platz geht.
(7,5/10)