Eine Kritik von "Sinologiestudent":
Lange hat es gedauert, bis das zweite Soloabenteuer von Diana Prince alias Wonder Woman in die Kinos kam. Bereits 2017 angekündigt und mit einem Starttermin für Ende Dezember 2019 versehen, wurde der Film immer wieder verschoben, zunächst um Überschneidungen mit anderen Blockbustern zu vermeiden, dann aufgrund der COVID-19-Pandemie. Im Dezember 2020 startete der Film dann schließlich in einigen wenigen Ländern als Weihnachtsgeschenk für die gebeutelten Kinofreunde in diesem nachvollziehbarerweise sehr mauen Kinojahr.
1984: Viele Jahrzehnte sind seit Wonder Womans (Gal Gadot) bedeutsamer Mission im ersten Weltkrieg vergangen, ihre große Liebe Steve (Chris Pine) ist tot, sie selbst schließlich als wissenschaftliche Mitarbeiterin unter dem Namen Diana Prince bei der Smithsonian-Stiftung in Washington D.C. gelandet. Hier stößt Barbara Minerva (Kristen Wiig) zu ihrem Team, die die schöne und souverän auftretende Diana bewundert. Gemeinsam untersuchen sie für das FBI eine Reihe sichergestellter Artefakte, darunter auch ein seltsamer Stein, auf den es der schmierige Geschäftsmann Max Lord (Pedro Pascal) abgesehen hat. Als er die Kraft des Steins für seine Zwecke missbraucht, taucht nicht nur der reinkarnierte Steve in der Gegenwart auf, nein, die ganze Welt droht aus den Fugen zu geraten.
"Wonder Woman 1984" beginnt spektakulär: eine aufwendige Rückblende zeigt die junge Diana bei einer Art Iron Man-Wettkampf unter Amazonen. Danach geht es, eingeleitet von einer sehr schönen Montage ins Jahr 1984. In körnigen, leicht überstrahlten Bildern werden allerlei Klischees jener Epoche bedient und nach einer ziemlich trashig-humoristischen Actionszene scheint der Weg des Filmes klar. Auch die Einführung von Dianas neuer Kollegin Minerva und der erste mediale Auftritt des Gegenspielers Max Lord haben deutliche parodistische Züge und ein kurzes Zwischenspiel mit Dianas Kollegen könnte glatt einer Sitcom entstammen. Tatsächlich ist dies der stärkste Teil des Films, denn im Anschluss wandelt "Wonder Woman 1984" unentschlossen zwischen leichtfüßiger 1980er-Jahre-Homage, bekannter Superheldenaction und moralinsaurem Kinderfilm.Drei Autoren haben am Skript gearbeitet und es scheint so, als hätte jeder seine eigene Vision einbringen wollen. So schwankt der Film immer wieder in Ton und Stil, wirkt mal lustig-leicht - etwa wenn Steve sich durch einen Kleiderschrank wühlt oder sich in der modernen Welt des Jahres 1984 zurechtfinden muss (eine schöne Analogie zum Vorgänger) -, mal kitschig - Dianas und Steves minutenlanger Flug durch ein Feuerwerk -, dann dramatisch - die (wenigen) Szenen der Aufstände. Wenn der Film dann auch noch vorgaukeln möchte, das Smithsonian-Museum besäße eine Auswahl vollgetankter und startbereiter Flugzeuge nebst Start- und Landebahn, sowie einen ständig besetzten Flughafentower und Steve könne ohne Probleme einen "modernen" Düsenjäger fliegen, wird der Film gar richtig dämlich.Dass uns das Autoren-Trio dann auch keine wirklichen Gegenspieler für Wonder Woman präsentiert ist dann nur noch die Spitze des Eisberges. Das DC-Universum ist voller großer Gegenspieler, voller tragischer Geschichten, doch was Patty Jenkins und ihr Team hier abliefern ist einfach zu einfach. Statt sich einer bekannten Version der beiden Kontrahenten - Max Lord und Barbara Minerva alias Cheetah - zu bedienen und diese gegebenenfalls abzuwandeln, bekommen die beiden Charaktere neue Hintergrundgeschichten und diese sind nicht nur sehr einfach gestrickt, sondern auch über die Maßen klischeebeladen und dienen letztlich nur dazu die Botschaft des Filmes - eine Lüge führt nicht zum Erfolg - möglichst plakativ und für alle verständlich an den Mann zu bringen. Dementsprechend sind die Bösen dann auch nicht wirklich böse, sondern eher Verblendete, die nicht bekämpft, sondern auf den rechten Weg zurückgebracht werden müssen.
Dies ist schade, denn darstellerisch hat man mit Kristen Wiig und Pedro Pascal zwei durchaus fähige Schauspieler gewinnen können. Wiig fällt vor allem in ihren ersten Szenen auf, wo sie mit ihrem komödiantischen Talent glänzen kann. Im weiteren Verlauf verkommt sie leider handlungsbedingt immer mehr zur Staffage und fällt meist nur noch durch ihre in vielerlei Hinsicht gewagten Outfits auf.Pedro Pascal bekommt das schon mehr Screentime und gefällt vor allem wenn er als überheblicher Blender seinen Gegenübern das Blaue vom Himmel verspricht. Zu schade, dass er am Ende zur Witzfigur verkommt, die Lex Luthor aus "Superman IV" in nichts nachsteht (einen entsprechenden Verweis findet man dann auch in der ersten Szene im Jahr 1984).Dass Gal Gadot als Wonder Woman eine sichere Bank ist, muss nicht diskutiert werden, selbst wenn sie einfach nur verträumt herumläuft - und sie läuft ziemlich oft verträumt herum. Auch schafft sie es als einzige Figur des Filmes komplett alle 1980er-Jahre-Modesünden zu umschiffen. Ihre Chemie mit Chris Pine stimmt und - abgesehen von einigen viel zu kitschigen Liebesszenen - machen ihre gemeinsamen Auftritte durchaus Spaß, wobei anzumerken sei, dass Chris Pine eigentlich hauptsächlich nur als Sidekick fungiert.Robin Wright und Connie Nielsen kehren für die Anfangssequenz kurz in ihre bekannten Rollen zurück. Über den Cameo-Auftritt von Lydia Parker, der Wonder Woman aus der TV-Serie aus den 1970ern, hüllen wir lieber den Mantel des Schweigens.Leider ist auch die musikalische Untermalung eine herbe Enttäuschung, denn statt eines fetzigen, mit zeitgenössischen Popsongs aufgepeppten Soundtracks wurde "Wonder Woman 1984" mit einem beliebig bombastischem Hans-Zimmer-Superheldenscore veredelt, der abgesehen vom schmissigen, aber unpassend instrumentalisierten Titelthema und einem kurzen Partysong, rein gar nichts mit den 1980ern zu tun hat und genauso gut jeden anderen Superhelden- oder Actionfilm untermalen könnte. Das einprägsame Wonder Woman-Theme von Junkie XL sucht man ebenfalls vergebens.Der aufwendige Wettkampf zu Beginn und die parodistisch angehauchte erste Actionszene mit der erwachsenen Wonder Woman machen tatsächlich Lust auf mehr, doch kann der Film dieses Niveau nicht halten. Tatsächlich folgen nur noch zwei ernstzunehmende Actionszenen, eine längere durchaus spannend inszenierte Verfolgungsjagd, der es dann aber leider an spektakulären Blechschäden mangelt und ein solide inszenierter Schlagabtausch im Weißen Haus. Das finale Aufeinandertreffen von Wonder Woman und Cheetah - immerhin Erzfeindinnen in den Comics - gerät leider zu einer ziemlich großen Enttäuschung. Zum Einen ist er relativ kurz geraten, zum Anderen fehlt es an Dramatik, da das antiklimatische, kalkulierte, auf Emotionen ausgelegte Friedefreudeeierkuchenende ja bedient werden muss.
"Wonder Woman 1984" hat durchaus seine Momente, ist ansprechend besetzt und Fans von Gal Gadot kommen voll auf ihre Kosten, doch Patty Jenkins' humanistisch angehauchter Film leidet an den plakativen Botschaften und seiner uneinheitlichen Inszenierung.Was bleibt ist ein insgesamt enttäuschender Ausflug in das Jahr 1984, auch weil das Setting im weiteren Filmverlauf immer weiter in den Hintergrund rückt und Verweise auf Geschichte und Popkultur nur noch sporadisch auftauchen und der Film so immer mehr zu einem mittelprächtigen, beliebigen Superheldenfilm wird, der weder mit einer besonderen Geschichte, noch mit aufregender Action zu punkten weiß.