Eine Kritik von "iHaveCNit":
iHaveCNit: Der Rausch (2021) – Thomas Vinterberg – Weltkino
Deutscher Kinostart: 22.07.2021
gesehen am 23.07.2021
Arthouse Kinos Frankfurt – Cinema Lumiere – Reihe 9, Sitz 18 – 20:15 Uhr
Es war irgendwann im Jahre 2013, als ich die DVD von „Die Jagd“ von Thomas Vinterberg mit Mads Mikkelsen gesehen habe. Und „Die Jagd“ hat sich seitdem immer noch in meinem Gedächtnis eingebrannt. Umso gespannter war ich auf die nächste Zusammenarbeit von Vinterberg und Mikkelsen - „Druk“ in Dänemark , „Another Round“ im internationalen Raum bzw. „Der Rausch“ in Deutschland, für die Vinterberg selbst eine Oscarnominierung in der Kategorie „Bester Regisseur“ erhalten hat und der Film auch mit dem Oscar in der Kategorie „Bester Internationaler Film“ ausgezeichnet und damit der Nachfolger von Bong Joon-Hos „Parasite“ geworden ist. Sowohl „Die Jagd“ als auch „Parasite“ gehören für mich zu filmischen Highlights, in die sich „Der Rausch“ auch einreihen wird.
Martin ist Lehrer an einem Gymnasium. Er wirkt vom Leben ausgebrannt und gelangweilt, seine Ehe ist eingerostet und auch die Schüler sind von seinen Qualitäten als Lehrer nicht mehr überzeugt. Beim 40. Geburtstag seines guten Freundes und Kollegen Nicolaj sitzen die beiden weiteren Lehrerkollegen und Freund Peter und Tommy mit am runden Tisch und bei den Gesprächen wird der Fokus auf einmal auf die zwanzig Jahre alte und verschriene Theorie von Finn Skaderud gelegt, wonach der Mensch mit einem Blutalkoholgehalt von 0,5 Promille zu wenig auf die Welt gekommen ist. Das Quartett trifft gemeinsam die Entscheidung, diese Theorie auf ihre Tauglichkeit zu testen. Dass mit den durch Alkohol gelösten Problemen auch neue Probleme entstehen und die Situation irgendwann droht zu eskalieren, erklärt sich von selbst.
„Der Rausch“ ist ein zutiefst persönlicher Film für Regisseur Vinterberg, der diesen Film seiner bei einem Autounfall gestorbenen Tochter Ida widmet. Ida war Feuer und Flamme für das Projekt und sollte auch einen Part im Film übernehmen. Was so wie ich gelesen habe als eine filmische Ode an den Alkohol gedacht war, hat sich bei der Verarbeitung dieser persönlichen Tragödie als Ode an das Leben gewandelt – und welche Rolle der Genuss von Alkohol dabei spielt. Zumal auch die Jugend Dänemarks im internationalen Vergleich einen extrem hohen Alkoholkonsum pflegt. Dabei versteht sich der Rausch weder als Film, der Alkohol als Genuss- und Suchtmittel glorifiziert noch ihn hierbei verharmlost. Er spiegelt hier sowohl viele positive Facetten des Konsums, als auch viele negative Facetten auf eine sehr subtile, detailgetreue und komplexe Art und Weise wieder. Dabei kann sich auch Vinterberg voll und ganz auf sein darstellerisches Quartett verlassen. Magnus Millang, Lars Ranthe und Thomas Bo Larsen sind eine wundervoll passende Ergänzung für Mads Mikkelsen. Die Dynamik und die Chemie dieses Quartetts ist einfach großartig und es macht Freude sie bei diesem Experiment zu begleiten. Vor allem bei Mads Mikkelsen fällt mir immer wieder auf, was für ein großartiger Darsteller er ist, wenn er bodenständige, menschliche, zerbrechliche Charakter spielt und es ist ein wahrhaftiger Rausch ihn in allen Nuancen und Details zu erleben, die er hier als Martin an den Tag legt. Der Film bietet in seinem Verlauf für jeden der Charaktere eine interessante Entwicklung, die allesamt glaubwürdig ausgearbeitet worden sind. Im Laufe des Films bekommen wir viele Momente geliefert, die die gesamte Bandbreite von Humor bis Tragik abbilden und sowohl urkomisch als auch tieftragisch sind. Inszenatorisch bleibt der Film sehr bodenständig, aber gerade bei der Wirkung des Alkoholkonsums arbeitet die Kamera dabei mit Hektik, Unruhe, Unschärfe und fehlendem Fokus, so dass der Film hierbei auch zu einem immersiven Erlebnis wird. Gepaart mit einer grandiosen Musikauswahl mündet der Film in eine extrem virtuos inszenierte, berauschende und gelöste Schlusssequenz, die diese Ode an das Leben großartig abschließt – und damit eines meiner großen Filmhighlights des Jahres 2021 beendet, der für mich wieder einmal der Beweis ist, warum ich Mads Mikkelsen und das dänische Kino so sehr liebe.
„Der Rausch“ - My First Look – 10/10 Punkte.