Eine Kritik von "Schnapskartoffel":
Dass ich "Tenet" tatsächlich über ein Jahr nach Kinostart zum ersten Mal gucken konnte, ohne wirklich zu wissen worum es geht, liegt nicht etwa daran, dass ich aktiv Spoiler vermieden hätte, sondern schlicht und ergreifend an dem Umstand, dass der Film in Sachen Handlung und Plot-Mechanismen so komplex und kompliziert daherkommt, dass sich bislang ganz einfach noch niemand die Mühe gemacht hat, das ganze Gedöns aufzudröseln. Auch ich sehe mich außer Stande, den Inhalt sinnvoll auf drei oder vier Sätze zusammenzuraffen, also lasse ich es gleich ganz... zur groben Orientierung sei vielleicht nur soviel erwähnt, dass das Ganze eine Art Geheimagenten-Waffendeal-Thriller mit darüber gegossener Zeitreise-Soße ist, quasi James Bond meets "Zurück in die Zukunft - Teil 2" zur eigenen Potenz, aber im Rückwärtsgang. Verwirrt? Wer schon dachte, "Memento" oder "Inception" wären kompliziert, sieht sich hier nochmal eines Besseren/Schlimmeren belehrt. Christopher Nolan hatte sicherlich seinen Spaß daran, seine Grund-Prämisse (von der ich nicht mal genau sagen kann, ob sie überhaupt für einen Spielfilm taugt) über zweieinhalb Stunden genüßlich auszuwalzen, und man muss es ihm ja auch irgendwo lassen, wenn der Quatsch auf seinem eigenen Mist gewachsen ist, dann Hut ab... dass er sein Publikum dabei mal komplett außen vor lässt und keinen Gedanken daran verschwendet, ob irgendjemand noch den verschnörkelten Action-Szenen und der sich zigmal selbst überlappenden Geschichte folgen kann, geschenkt. Nun ja, sobald man irgendwas mit Zeitreisen macht, ist man eh komplett am Arsch, aber der Rückwärts-Scheiss von "Tenet" hat aus meinem Gehirn mal echt Gummibärchen-Matsche gemacht. Vielleicht blickt man ja nach mehrmaligem Sehen besser durch... aber wozu? Film als Arbeit. Nach ein paar Tagen des Sinnierens ist mir übrigens noch klar geworden, was mir an "Tenet" nicht behagt und warum das trotz high concept und Gedöns so ein unbefriedigendes Filmerlebnis ist... es fällt einem spontan quasi wie Schuppen von den Augen: Das ist ein Streifen, der ausschließlich von suizidalen Arschkrampen bevölkert wird. Die "Identifikationsfigur" schluckt direkt mal in der zweiten Szene 'ne Selbstmord-Pille. Die Wissenschaftlerin bringt sich in der Zukunft um, nachdem sie den Zeitumkehr-Mist erfunden hat. Robert Pattinson geht am Schluss nochmal freiwillig zurück, um sich 'nen Kopfschuss abzuholen. Krebs-Branagh geht eh drauf und plant mal eben den gesamten Planeten mitzunehmen. Sogar die Inderin am Ende lässt sich abknallen ohne groß aufzumucken. Allgemein hat man das Gefühl, dass Selbstmord in der Welt von "Tenet" der erste Lösungsansatz ist, der den Charakteren in den Sinn kommt, und nicht der letzte. Nolan ist immer noch ein kühler Verstandes-Mensch (weswegen die emotionale Sülze in "Interstellar" auch so unehrlich gewirkt hat) und schert sich um die Figuren über ihre "Funktion" für den Plot hinaus mal eben einen Scheissdreck, was zwischen den Zeilen so zu deuten ist, dass kein Mensch in diesem Film über seine Aufgabe hinaus irgendeinen Wert hat. Das Weltbild, was da vermittelt wird, ist kein schönes, da steckt bestimmt irgendwo eine ganz ekelhafte Ideologie drin, mit der ich mich nicht befassen möchte... und die letztendlich dafür sorgt, dass "Tenet" einen abseits seines (durchaus vorhandenen) Appeals als Hirn-Verzwirbler vollkommen kalt lässt. Denn wenn dem Film selbst seine eigenen Figuren scheissegal sind, dann sind sie es dem Publikum auch. Die Punkte verdient "Tenet" sich dann letztendlich auch nur, weil er als Mindgame und aufgeblasene Denksport-Aufgabe nicht völlig ohne Reiz ist. 6/10