Eine Kritik von "Sauza":
Schon seit Monaten leidet Hagen (Moritz Bleibtreu) unter unruhigem Schlaf gepaart mit seltsamen Träumen, sodaß er tagsüber wie gerädert ist. Zu einem Besuch im Schlaflabor, den ihm seine Ehefrau Karoline (Nadja Uhl) nahelegt, kann sich der Security-Mitarbeiter eines Supermarkts aber nicht aufraffen - vielmehr will er sich nicht eingestehen, daß er fremde Hilfe braucht: Das geht schon, meint er stets dazu.
Dabei träumt er nicht etwa zusammenhanglose Dinge, an die er sich später nicht mehr erinnern kann, sondern seine Träume drehen sich zunehmend um einen jungen Mann, den er nicht zu kennen scheint. Eines Tages jedoch taucht dieser Niko (Jannis Niewöhner) auf dem Überwachungsbildschirm seiner Arbeitsstelle auf - ein Zufall? Hagen, der an sich mit beiden Beinen fest im Leben steht, versucht der Sache auf den Grund zu gehen: wie kommt dieser Kleinkriminelle, dessen Bruder als Drogenkurier unterwegs ist, überhaupt in seine Träume? Hat der junge Mann vielleicht ein Verhältnis mit seiner Frau, die als Hautärztin arbeitet und unter der Schlaflosigkeit ihres Gatten sichtbar leidet? Oder bildet sich der überreizte Hagen das alles überhaupt nur ein?
Cortex ist das Regiedebut von Moritz Bleibtreu, in dem er mit einem langsam aber sicher in Wahnzustände zu verfallen drohenden Hauptdarsteller eine spannende Ausgangslage präsentiert: in düsteren, oftmals von Regenschauern begleiteten Bildern, denen jegliche fröhliche Farbe abgeht, entwirft der Regisseur hier die pessimistische Geschichte eines Hamburger Allerwelts-Ehemanns, der aus irgendeinem Grund aus der Bahn geworfen wurde. Leider können die mit viel Gefühl für beklemmende Momente abgedrehten Szenen die hohe Erwartungshaltung dann storytechnisch überhaupt nicht befriedigen, und der sich ab Filmmitte, spätestens jedoch im letzten Drittel abzeichnende Hintergrund der merkwürdigen Träume gerät dann enttäuschend flach.
Bleibtreu, der in seiner ersten Regiearbeit diverse filmische Vorbilder zitiert und vor allem auf den 2010er Inception Bezug nimmt, beweist zwar ein gutes Händchen für eindrucksvolle Kameraeinstellungen (beispielsweise wenn Hagen im Spiegelbild, beim Herabsinken zu Boden oder in diversen Traumsequenzen mit dem anderen Mann zu verschmelzen scheint), vernachlässigt darüber aber komplett den Spannungsbogen, der einen guten Thriller nun einmal ausmacht: so bleibt es bestenfalls bei einem diffusen Mitleid mit dem leidenden Hauptdarsteller, der jedoch nie konsequent Ursachenforschung betreibt, sondern dem Publikum eine merkwürdige Traumerfahrung nach der anderen serviert, sodaß irgendwann gar nicht mehr klar unterscheidbar ist, was Hagen träumt und was er wirklich erlebt.
Einem erfrischend skurrilen Auftritt von Nicholas Ofczarek als kreischendem Apotheker stehen drei stinklangweilige 08/15-Drogengangster gegenüber, die Hagens Familie bedrohen, als die Schicksale der beiden Männer, die zunächst nichts miteinander zu tun zu haben scheinen, dann doch zusammengeführt werden - leider mit einer höchst konventionellen Begründung, die in ihrer Banalität so gar nicht zu der hervorragenden Kamerarbeit passen will.
Fazit: Schade, da wäre mehr drin gewesen. 4,51 Punkte.