Eine Kritik von "vodkamartini":
Apocalypse Couch - Wohlfühlhorror mit Schmiss
Ach ja, die Apokalypse. In den heutigen pandemischen Zeiten haben Filme über das Ende der Welt keinen leichten Stand. Wer will sich schon mit Horrorszenarien vom nur allzu präsenten, alltäglichen Grauen ablenken lassen? Aber wie wäre es, das Ganze mit etwas Humor zu servieren? Frei nach dem Motto „Alles worüber man lachen kann, verliert automatisch seinen Schrecken“. Klingt nach einer cleveren Strategie eines pfiffigen Kopfes. Und tatsächlich scheint der Mix aus Horror und Comedy ein paar Nerven getroffen zu haben. Auf jeden die des Publikums, die der Academy of Motion Picture Arts and Sciences und die des Streaming-Giganten Netflix, der beherzt zugriff, als Paramount die internationalen VOD-Rechte verhökerte. LOVE AND MONSTERS heißt das Objekt der Begierde und der Titel könnte treffender nicht sein.
Die Erde ist nach einem chemischen Fallout als Folge eines Meteoriteneinschlags nicht mehr dieselbe. Genauer gesagt, die Hackordnung hat sich leicht verändert. Den Ton geben inzwischen zu riesigen Monstern mutierte Kaltblüter an. Die gute Nachricht: an globaler Herrschaft sind die nicht weiter interessiert. Die Schlechte: an Nahrungsaufnahme dafür umso mehr. Bei den Menschen führt das zu einem nicht unerheblichen Aderlass und zu einer weitestgehenden Verlagerung des Lebensmittelpunktes in unterirdische Regionen. Wer dennoch nicht auf frische Luft und Sonnenlicht verzichten will, der sollte sich auf Schnappatmung und ein ordentliches Sprintpensum einstellen.Joel Dawson kennt diesen Wahnsinn seit 7 Jahren und einzig die Erinnerung an seine damalige Flamme Aimee hält den Mittzwanziger in der Spur. Allerdings ist er in seiner Untertage-Kolonie der einzige Single und obendrein nicht einmal systemrelevant. Also entschließt er sich kurzerhand sich auf der feindlichen Oberfläche zu der 7 Tagesmärsche entfernten Aimee durchzuschlagen. Liebe oder Tod also, das hat schon fast was von Shakespeare. Und auch der konnte durchaus komisch sein.
STRANGER THINGS-Produzent Shawn Levy hatte die Idee zu dem vermeintlich kruden Mix aus Roadmovie, Monster-Horror und Coming-of Age-Story schon 2012 und noch vor ein paar Jahren wäre der Film wahrscheinlich als nette kleine ZOMBIELAND-Variation getätschelt und abgenickt worden. Anno 2021, im zähen Ringen zwischen Freiheitsdrang und Existenzsorgen, surft der Film allerdings auf der so tragenden Zeitgeistwoge. Joels Sehnsucht nach Normalität, nach sozialen Kontakten, nach selbstbestimmten Handeln kennt inzwischen so gut wie jeder aus ureigener Erfahrung. Gepaart mit Joels launigen Off-Kommentaren und skurrilen Erlebnissen auf und abseits des Wegs, fühlt man sich gleichzeitig ernsthaft verstanden und locker unterhalten. Der Film als Empathiker also, hat man auch nicht alle Tage.
Die traditionell wenig Horror-affine und noch weniger dem Humor-zugewandte Academy hat über dieses seltene Gütesiegel mal wieder schnöde hinweg nominiert, aber zumindest die Kreativität der CGI-Verantwortlichen honoriert. Tatsächlich sind die Effekte der mutierten Insekten, Schnecken, Würmer etc. ganz wunderbar gelungen, nicht nur optisch, sondern auch organisch. Soll heißen die Schauwerte sind wohl platziert und sorgen für wenige, dafür eindrucksvolle Action-, Grusel-, Ekel- und Wow-Effekte, ohne die emotionale Wanderung Joels nieder zu trampeln. Und das wäre ein Jammer, denn man begleitet ihn gern auf seiner fantastischen Reise.
Hauptdarsteller Dylan O´Brien hat reichlich Erfahrung in bunten Teen-Horror-Dystopien (u.a. TEEN WOLF, MAZE RUNNER) sammeln können und agiert dementsprechend erfrischend natürlich. Das ist auch gut so, da er den Film und seinen emotionalen Kern praktisch alleine tragen muss. Jessica Henwick als Aimee hat nur wenige Szenen und ist mehr Mittel zum Zweck, so dass neben O’Brien lediglich Bad-Guy-Urgestein Michael Rooker in Erinnerung bleibt. Als Indiana Jones-artiger Survivalexperte sorgt er für ein paar schnoddrig-wohlige Buddy-Momente und lässt einen ernsthaft über die Frage grübeln, warum ihm Woody Harrelson nicht öfter ein paar seiner Sidekick-Parts abgetreten hat.Aber das sind nur ein paar Augenblicke der Abschweifung, schließlich erfordert eine solche Monsterschnitzeljagd die volle Aufmerksamkeit. So gesehen ist man fast überrascht, als sie vorbei ist, denn so gemütlich hat man sich selten inmitten einer apokalyptischen Situation eingerichtet, weder in einer fiktiven, noch in einer realen.