Eine Kritik von "vodkamartini":
100% Snyder
Keine Frage, der Filmemacher Zack Snyder polarisiert. Frenetische Fans wie gallige Kritiker halten sich in etwa die Wage, dazwischen gibt es fast nichts. Er sei ein auf Gewalt, Testosteron und ästhetisierte Optik - gern in Super-Slow-Motions zelebriert - fixierter Stilist, der wenig Emotionalität vermitteln kann, dafür aber gern und ausgiebigst im Pathos badet. Sein großer Durchbruch, die Spartaner-Schlachtplatte 300, scheint all diese Vorwürfe zu bündeln und zusammen mit Leonidas lauthals hinaus zu brüllen. Seine Jünger dagegen lieben genau diese opulent-elegische Optik und den grimmig-düsteren Odem, der all seine Filme umgibt. Ganz fair ist zumindest der verdammende Umgang mit dem eigenwilligen Regisseur aber nicht. Zweifellos setzt er voll auf optisches Überwältigungskino, auf die ganz große Geste und die noch größere Pose. Nur weil es laut ist, muss es aber nicht gleich substanzlos sein. Und spätestens mit WATCHMEN hat Snyder gezeigt, dass er durchaus auch Konflikte und menschliche Abgründe erforschen kann und will. Vor allem aber hat er stets eine Vision, einen unverwechselbaren Stil und - um in seinem Jargon zu bleiben - die Eier, beides auch auf die Leinwand zu knallen.
So gesehen war die Entscheidung der Comic-Schmiede DC ihr ureigenes Filmiverse eben diesem sperrigen Visionär anzuvertrauen eine mutige, aber auch eine konsequente. Kaum einer könnte weiter weg sein vom familienfreundlichen, stets mit Selbstironie und Political Correctness kokettierenden Ansatz der (zeitweise) weit enteilten Konkurrenz aus dem Hause Marvel. Deren Superhelden sind trotz all ihrer überirdischen Fähigkeiten stets auch knuffige Typen, mit denen man am liebsten sofort um die Häuser ziehen möchte. Bei Snyder ist für den menschlichen Faktor nur wenig Platz, seine Heroengestalten erinnern mehr an antike Göttersagen, denn an die netten Kumpel von nebenan. Im DC-Heldentreffen-Äquivalent zu Marvels AVENGERS sollte es dann auch entsprechend elegisch, düster und ernsthaft zur Sache gehen. Doch die Umstände warfen all dies über den Haufen und sorgten für eine der krachigsten DC-Pleiten im Titanenkampf mit Marvel.
JUSTICE LEAGUE (2017) fiel bei Fans und Kritikern gleichermaßen durch und schaffte nicht einmal die Hälfte des Avengers-Einspiels. Hölzern und holprig erzählt, charakter- und farbloses Heldenpersonal, sterile CGI-Schlachten, die Liste der Vorwürfe war lang und vernichtend. Was war geschehen?Zack Snyder war kurz vor Fertigstellung aus familiären Gründen aus dem Projekt ausgestiegen und DC musste kurzfristig Ersatz finden. Die Verpflichtung des AVENGERS-Regisseurs Josh Whedon schien ein fulminanter Geniestreich, war in Wahrheit aber der Todesstoß für den Film. Mit der Auflage die Lauflänge auf höchstens zwei Stunden zusammen zu kürzen, schnitt Whedon 80% des von Snyder gedrehten Materials, ordnete eine Reihe von Nachdrehs an und änderte damit Ton, Rhythmus und Erzählung radikal. Gleichzeitig versuchte er den Stoff zu „marvelisieren“, soll heißen, er wollte der bierernsten Justice League-Truppe das flapsige Kumpel-Gen der Avengers einpflanzen und gab sie damit zum Abschuss frei. Batman, Wonder Woman, Aquaman, Cyborg und Flash wirkten wie Fremdkörper in ihrem eigenen Film und da Whedon auch noch sämtliche Einführungs- und Hintergrundgeschichten stark gekürzt oder gleich ganz rausgeschmissen hatte, bleiben sie auch noch leere Hüllen, deren pathetisches Auftreten so hohl wirkte wie die Bathöhle ohne Fledermäuse.
Vor diesem Hintergrund kann man sich den verzückten Aufschrei der so grausam geprellten DC-Fans vorstellen, als Zack Snyder ankündigte, seine ganz persönliche Version von JUSTICE LEAGUE ganze vier Jahre später doch noch fertig zu stellen und zu veröffentlichen. Eine Crowdfunding-Kampagne und zahllose Petitionen hatten also tatsächlich zum Erfolg geführt. Director´s Cuts bekannter Filme gibt es zwar inzwischen wie Helden bei Marvel, aber in diesem speziellen Fall ist der Name wirklich mal gerechtfertigt. ZACK SNYDER`S JUSTICE LEAGUE lässt praktisch keinen Stein auf dem anderen und demontiert die gescheiterte Kinofassung damit total. Das liegt keineswegs nur an der fast doppelten Lauflänge, Snyder verwarf auch sämtliche Nachdrehs, drehte selbst neue Szenen, integrierte das seinerzeit heraus geschnittene Originalmaterial und änderte die Reihenfolge, Dauer und Gewichtung zahlreicher Sequenzen. Kurz: wir haben es mit einem komplett anderen Film, praktisch einem neuen Film zu tun. Die bange - und alles entscheidende - Frage ist nur: ist er auch besser?
Zunächst einmal gibt Snyder seinen Figuren deutlich mehr Raum zur Entfaltung, was nicht nur ihnen, sondern der ganzen Erzählung unendlich gut tut. Die ohnehin etwas entrückten Helden bekommen so wieder Bodenhaftung, indem man ihre Motive, ihre Hintergründe, ihre Geschichte kennen lernt und versteht. Das gilt ganz besonders für Cyborg und Flash, die in Whedons Film einfach auftauchten und machten. Das gilt aber auch für den/die Antagonisten. Der Paradämonen-Anführer Steppenwolf wurde nicht nur umdesigned, sondern ebenfalls charakterlich deutlich tiefer ausgeleuchtet und ist nicht mehr bloß das böse, aber völlig austauschbare CGI-Monster des Originals. Das Böse wird aber auch durch die Integration von Steppenwolfs „Boss“ Darkseid aufgewertet, der die Fronten viel ausgewogener gestaltet und damit den heldischen Widerstand umso gefährlicher erscheinen lässt.
Dieser elaboriertere Ansatz gilt auch für das Storytelling. Zwar ist die Grobhandlung dieselbe geblieben - wieder versucht Batman ein Team aus Superhelden zu rekrutieren, um Steppenwolf an der Eroberung der Erde zu hindern - , aber indem Snyder deutlich ausführlicher, ausladender und detaillierter erzählt, bekommt der simple Plot um die Jagd nach den drei ominösen Mutterboxen mehr Tiefe, innere Logik und Bedeutung verpasst. Ben Affleck bleibt auch in Snyders Version etwas zu blass für den trotz aller Desillusion tatkräftigen und entschlossenen Weltenretter, aber seine Figur hält Geschichte und Mitstreiter nun viel besser zusammen und ist als einzig menschlicher Held auch das zentrale Bindeglied zum Zuschauer. Außerdem hat er mit Jason Momoa und Gal Gadot zwei Charisma-Adjutanten, die in dieser Hinsicht keine Wünsche offen lassen.
Schließlich gibt es auch visuell ein Mehr an Ohs und Ahs zu bestaunen, da Snyder viele Actionszenen länger, blutiger und seinem ureignen Stil angepasster gestaltet. Die nun ganz deutlich hervortretende Intention, oder besser Vision Snyders, geht unverkennbar in die Richtung pathetisches Epos und wird für so manches Naserümpfen und Stirnrunzeln sorgen. Als Kontrast zu Marvel, als Umsetzung der Comicvorlage, vor allem aber als selbstbewusstes Statement eines Regisseurs der zumindest etwas zu sagen (und zu zeigen) hat, ist ZACK SNYDER´S JUSTICE LEAGUE aber ein filmischer Gewinn und fegt das implodierte Kino-Original mit einem wuchtigen Hieb von der Bildfläche.