Eine Kritik von "vodkamartini":
„Escape from the trap“ - Snyder reboots
„We´re caught in a trap …“, ja, gleich zu Beginn trifft der Meister der Filmeröffnung mal wieder ins Schwarze. Misstrauen und eine Falle, das passt in mehrfacher Hinsicht, vor allem aber „Vegas“. Wer bei diesen Klängen nicht sofort den im weiß gekleideten Glitzerdress shakenden King vor Augen hat, der kennt ihn vermutlich gar nicht. Zack Snyder jedenfalls kennt ihn ganz sicher. Mindestens so gut wie den Zombiefilm, den er mit dem Romero-Remake „Dawn of the Dead“ nicht einfach nur wiederbelebt, sondern den er in den Mainstream-Sattel gehievt hatte, in dem er seit Jahren durch die Kino- vor allem aber die TV-Landschaft galoppiert. Als Master of the (DC)-Universe ist die Rückkehr zu den fiesen Untoten für viele vermutlich nicht gerade der nahe liegendste Karriereschritt, aber Snyder hatte schon immer seinen eigenen Kreativkopf. Letztlich ist es einerlei, ob er einfach mal wieder back to the roots wollte, oder ob er nach all den vergeblichen Versuchen die Comicschmiede DC in ein ähnliches Paradies wie das MCU-Xanadu zu verwandeln mal wieder so richtig familienunfreundlichen Dampf ablassen musste. Seine Fans der ersten Stunde werden es ihm jedenfalls danken. Ganz sicher.
„Army of the Dead“ nennt sich die funkelnagelneue Schlachtplatte und hier wird ganz im Stil des Sündenbabel im flirrenden Nevada aufgetischt, dass sich die Balken biegen. Alles an diesem Film ist opulent, maßlos und vom Feinsten, wenn man auf die spezielle Zubereitung des Kochs und das Grundmenü steht. Hier gibt es Zombies, Geballer, Splatter, große Gesten, große Knarren und noch größere Klappen frei Haus, ganz nach dem Vorbild der verschwenderischen All-you-can-eat-Buffets der großen Vegas-Casinos. Snyder wird wie sein Kollege Bay häufig als geistloser Optik-Großkotz abgetan, aber das Medium Film ist in allererster Linie ein visuelles und wenn Snyder ein Aushängeschild hat, dann sind es Bilder die sich einbrennen. Er erschafft Panoramen, die wie barocke Gemälde eine Wuchtigkeit vermitteln, die kaum mehr als ein verblüfftes Staunen zulassen. Im Kitsch der superheldischen Fantasywelt war das nicht immer geschmackssicher, aber im derben Setting einer Zombie-Orgie hat Snyder ein Heimspiel. Die apokalyptischen Bilder eines von Zombies verwüsteten Las Vegas würden sich jedenfalls bestens in einer dystopischen Popart-Gemäldegalerie des New Yorker MET machen.
Ja, gut, ein Film braucht natürlich auch einen Plot. In diesem geht es um eine Gruppe Glücksritter, die im globalen Glücksspielparadies Nummer 1 einen Safe knacken sollen, in dem 50 Millionen Dollar schlummern. Leider ist Las Vegas inzwischen eine hermetisch abgeriegelte Quarantänezone, in der marodierende Zombies eine Art Königreich errichtet haben, bei dem die Aufnahme nur über den so unfreiwilligen wie unsanften Tod gewährt wird. Um diesem unschönen Zustand den Gar auszumachen, droht dem Strip eine unsanfte Atombehandlung binnen der nächsten 48 Stunden. Dem dreckigen Söldner-Dutzend unter dem Kommando des Mercenarius Maximus Scott Ward bleibt also nicht viel Zeit, um die Kohle aus Fegefeuer zu holen. So weit, so simpel, so gut.Der heutige Filmkonsument braucht dennoch anscheinend für alles Etikette, also wird überall mit dem Sticker „Ocean´s Eleven mit Zombies“ geworben. Die Heist-Idee ist nicht weg zu diskutieren, ok, hat aber abgesehen von derselben Location recht wenig vom kultivierten Soderbergh-Schick. Wenn man denn unbedingt will, dann findet man deutlich mehr Carpenter und „Escape from New York“ bei der Totenarmee sowie eine deftige Prise "Aliens", vor allem aber ganz viel Snyder.
Schon in „Watchmen“ drehte er mit einem Credit-Intro einen sündteuren Kurzfilm, der nicht nur Setting und Ausgangssitution rein audiovisuell perfekt auf den Punkt bringt, sondern mit dem er sich auch als Traum-Regisseur für das nächste Musikvideo eines jeden Pop-/Rock-/Rap-Superstars empfahl. Und schon da traf die Songauswahl (Dylan´s „The times they are a-changin´“) perfekt den melancholischen Grundton des Films. Diesmal erklingt nicht minder treffend ein jazziges „Viva Las Vegas“, von Melancholie keine Spur, aber in „Army of the Dead“ regiert auch vor allem der schmissige, derbe und zynische Jargon.Eine weitere „Watchmen“-Parallele ist der Hang zur Epik. Das Romero-Remake war ein schneller, harter Action-Reißer. Diesmal allerdings lässt sich Snyder ausnehmend viel Zeit (insgesamt gut zweieinhalb Stunden). Das beginnt schon mit der Vorstellung des Söldner-Personals, bei der jedem ein paar witzig-coole Minuten vergönnt sind. Das ist gar nicht so unwichtig, denn schließlich will man bei dem zu erwartenden Bodycount auch ein kleines bißchen mitfiebern und nicht nur Ausfälle zählen. Dampfwalze mit Brummbär-Charme Dave Bautista meistert die Rolle als Alphatier und Teamleader Scott Ward jedenfalls bravourös, profitiert aber sehr davon, dass man auch den Rest nicht achselzuckend als Zombiefutter abtut. Vor allem Omari Hardwick als philosophischer Elitesoldat Vanderohe und Nora Arnezeder als Bad-Ass-Zombie-Scout Lily sind richtige Typen, auf die man sofort anspringt. Die größte Überraschung ist sicher Matthias Schweighöfer, der hierzulande durch seine RomCom-Dauerpräsenz gehörig polarisiert und auch hinter der Kamera nicht den besten Ruf genießt. Als ängstlich-naiver Profi-Safeknacker Ludwig Dieter (der Name allein ist schon ein Brüller) sorgt er für reihenweise Comic relief-Momente und ist ein gnadenloser Sympathiebolzen.
Hin und wieder schießt Snyder mit seinem epischen Ansatz aber auch etwas über das Ziel hinaus. Das Vater-Tochter-Drama zwischen Scott und Kate (Ella Purnell) und noch mehr der Subplot um das Quarantänecamp vor Vegas dienen mehr der Laufzeitverlängerung, denn der dramatischen Verdichtung und sind besser gemeint als geschrieben.Ohnehin ist Zack Snyder immer dann am besten, wenn es auf die Zwölf gibt und wenn es gleich Zwölfhundert sind wie hier, dann umso mehr. In den Actionszenen lässt er jedenfalls nichts anbrennen und packt gleich mal den Flammenwerfer aus, vor allem aber setzt er gekonnt auf Abwechslung und Überraschung. Da wird nicht einfach nur gefeuert - keine Sorge, davon gibt es dennoch reichlich -, da wird auch mal geschlitzt, geschlagen, getreten und sogar geschlichen, schließlich muss auch der hart gesottenste Zombie mal ruhen. Natürlich gibt es auch die ein oder andere Gore-Spitze, aber man wird das Gefühl nie los, dass hier Tempo und Party über Horror und Splatter stehen, obgleich die FSK 16 schon hie und da verwundert. Jedenfalls ist der Auftritt eines Zombietigers (man denkt sofort an Siegfried und Roy und freut sich richtig, als es auch tatsächlich so ist) nicht nur ein toller Einfall, sondern sorgt auch für ein paar tollwütige Todesfälle. Überhaupt machen die Untoten kaum Gefangene (erstaunlicherweise haben sie sogar Bedarf für ein paar wenige) und sind ganz dem Genre verhaftet extrem unzimperlich bei den Grundinstinkten Jagd und Nahrungsaufnahme. Nach gefühlt 4000 Episoden „The Walking Dead“ dürfte der geneigte Zuschauer ohnehin ein wenig abgestumpft sein, aber Snyder weiß auch hier einen Ausweg. Jedenfalls hat man zwei grundverschiedene Zombiegattungen noch nicht allzu häufig gesehen, ganz zu schweigen von der Idee einer hierarchisch gegliederten Untoten-Gesellschaft.
Nach knapp 150 Minuten ist die derbe Achterbahnfahrt dann vorüber, aber für ein paar finale Überraschungseier ist schon noch Zeit . Ob der bombige Befreiungsschlag für die Menschheit ausreichen wird, darf zumindest stark bezweifelt werden, für Snyder selbst sieht das schon freundlicher aus. Mit „Army of the Dead“ hat er jedenfalls ganz klar gemacht, dass er noch sehr genau weiß, wo der Vorschlaghammer hängt. Dem sumpfigen DC-Untergangsgetöse ist er zunächst einmal erstaunlich behende entsprungen. Die brachiale Optik kickt Zeitlupenfetischismus wie Comicheft-Look und knallt im poppigen Panorama-Stil. Die Action kickt weitestgehend die Konsolen-DNA, ist hart, blutig, schnell und zielorientiert. Das Personal kickt Pappkameraden-Aura wie hohle Gestik und überzeugt durch bleihaltiges Handeln und simples Augenzwinkern. Und der Ton kickt schwülstiges Pathos zugunsten lakonischen Zynismus. Carpenter hätte den Film „Escape from the trap“ genannt, jede Wette. Für Snyder wäre „Dawn of the Alive“ aber auch recht passend.