Eine Kritik von "Leimbacher-Mario":
Die Geschichte des elektrogantischen Fleischsaugers
Ein paar voreilige Stimmen haben Jordan Peele als neuen Horrorrheiland gefeiert, nachdem er mit „Get Out“ und „Us“ nachhaltig beeindrucken konnte, clever Horror, Fun und gesellschaftlich-soziale Töne verband. Andere Stimmen betonten mehr als ungläubig, dass er doch deutlich overhyped wäre und nur auf Grund seinen „Black“-Topics von Presse und Kritikern über den Klee gelobt würde. Die Wahrheit liegt wohl wie meist irgendwo dazwischen. Obwohl mir seine beiden bisherigen Werke verdammt gut gefallen, ist er sicher (noch) nicht der neue John Carpenter geschweige denn unfehlbar. Aber sein Schaffen nur auf einen Bonus durch Hautfarbe und Themen zu reduzieren, ist natürlich genauso weltfremd, kurzsichtig und falsch. Er ist weder Wes Craven noch M. Night Shymalan. Aber eine interessante und gewichtige Stimme in unserer „Community“ ohne Frage. Dennoch muss er sich weiterhin beweisen und natürlich dranbleiben, nun mit „Nope“ nochmal liefern. Und das hat er (mit ein paar Abstrichen) meiner Meinung nach getan. Einem mysteriösen Machwerk zwischen „Signs“ mit Westernvibes und nicht weniger als einem bissigen Kommentar auf das Schauen, auf das Gaffen, auf die Neugier, auf das Spektakel selbst - und die unberechenbar zurückschlagende Natur…
„Nope“ ist ein gleichzeitig überraschender wie auch klassischer Abenteuer-/Spannungs-/Monstermovie. Wer ihn komplett ohne Anhaltspunkte und Spoiler sehen will, sollte nicht weiterlesen. Peeles gesellschaftliche Kommentare sind noch da, aber bei weitem nicht mehr so „black-centric“ wie zuvor. Viel mehr geht es dieses Mal um das Sehen und das Kino selbst. Um die gewaltige sowie gewalttätige Schönheit der Natur. Um unser aller Neugier am Leid anderer. Die Schreie, die Hilflosigkeit. Träume weichen Traumas einer ganzen Gesellschaft. Krasser Stoff unter der Oberfläche. Famoses Monsterdesign, Kaluuya intensiv wie meist. Der Humor etwas heruntergeschraubt. Aber immer noch sommerlich und leicht zu konsumieren. Gerade wenn man nicht ganz tief in den oben beschrieben Subtextmotor und die Röhre guckt. Van Hoytemas Bilder sind breit, fett und episch, passen wie die Faust aufs Wüstenauge. Der Score hat ebenfalls legendäre Momente. Vor allem eine Verfolgungsjagd gegen Ende hat meinen Puls hochgetrieben und mich fast in „Indiana Jones“-artige Ekstase versetzt. Das ist schon große Klasse - auf einem ganz elementaren Kinolevel! Es gibt Zitate noch und nöcher, gerade der frühe Spielberg wird hier sehr hoch gehalten. Man merkt an jeder Ecke, dass Peele Kinofan ist. Wie wir. Und allein deswegen kann ich kaum einen Makel an „Nope“ zu breit treten und lange im Gedächtnis halten. Die Effekte sind sehr gekonnt und nie übertrieben. Es gibt Emotionales (Bruder-Schwester-Beziehung), es wird sich toll Zeit genommen zur Einführung der Figuren. Es gibt wahrhaft Verstörendes - ich sage nur „Flugsound“ und Verdauungsaufnahmen. Es gibt visuell Famoses - „blutgetränktes Haus“. Ein Rädchen packt für mich ins nächste. Selbst wenn ich zumindest „Get Out“ wohl noch etwas stärker und wiederguckbarer finde. Aber auch zu „Nope“ sage ich weitere Male sicher nicht nein.
Fazit: Jordan Peele hält sein hohes Niveau und liefert mit „Nope“ ein erfreulich klassisches, staunen und schmunzeln lassendes Horrorsommerpopcornfest zwischen „Jaws“, „The Host“, „Tremors“, „Close Encounter of the Third Kind“ und seiner ganz eigenen Verbeugung vor dem Genre, vor dem Film als Kunst- und vor allem Unterhaltungsform. Hat mir Angst und Spaß gleichzeitig gemacht - selbst wenn Muster wiedergekäut wirken!