Eine Kritik von "SebMoriarty":
*** SPOILERWARNUNG ***
Nach dem Tod von Chadwick Boseman stand man bei Marvel vor einem Problem. Denn der Hauptdarsteller aus „Black Panther“ (2018) war für die Fortsetzung fest eingeplant. Und man merkt dem Film an, dass hier vieles neu aufgezogen, umgeschrieben, umarrangiert werden musste. Ein rundes Ding ist die Fortsetzung „Wakanda Forever“ jedenfalls nicht geworden.
Und wer erwartet, dass es sich hier Denkmal für den verstorbenen Boseman handelt – das ist der Film nicht. Natürlich geht man zu Beginn auf den Verlust T'Challas ein, er stirbt im Off, es gibt eine Beerdigungssequenz. Anschließend findet er noch in Erwähnungen statt, als Referenz, wenn es in das Konzept der Figurenentwicklung passt. Wobei diese kaum stattfindet. T'Challas Schwester Shuri steckt nach zwei Stunden im Kostüm des Black Panther (mit der Einstellung „Rache!“ und kurz darauf „Nein, doch nicht!“), bis dahin ist es aber ein weiter Weg und dieser ist nicht allzu unterhaltsam. Nicht nur, dass man sich (zugegeben notgedrungen) wieder eine Art Originstory ansehen muss, diese macht auch völlig belanglose Umwege. Aber worum geht es denn eigentlich?
Nach dem Tod des Königs findet sich Wakanda bedrängt, denn viele Parteien trachten nach dem dort vorhandenen Vibranium. Doch tritt auch eine neue Partei auf den Plan, ein Volk aus dem Meer, angeführt von König Namor. Der will sich mit Wakanda an den Menschen rächen, Wakanda spielt nicht mit, also greift er eben die an. Dramaturgie aus der Grabbelkiste, aufgeblasen auf über zweieinhalb Stunden.
In diesen droht jeder mal jedem, unterm Strich unterscheidet sich die Motivation des Antagonisten aber wenig von der des Killmonger aus dem Vorgänger. Zwar wirbt Namor für Verständnis und Herkunft seines Zorns, ist aber am Ende egal, weil es auf die Konfrontation der beiden Fantasiereiche hinausläuft.
Dabei macht das Skript hier vorher noch einige Fässer auf. Themen wie Trauer, Verlust, Kolonialisierung, Ressourcenverteilung – wird alles mal kurz in den Raum geworfen, nichts zu Ende erzählt, mit etwas Glück noch irgendwo als Witz untergebracht. Der Film redet und zeigt viel, erzählt aber kaum etwas und am Ende kommt die Rettung aus dem 3D-Drucker.
Coogler gibt sich mehr dem Worldbuilding hin, zeigt Orte und Welten, bietet aber keinen inhaltlichen Mehrwert. Zumindest keinen, der diese Laufzeit rechtfertigt. Auch am Ende von Teil zwei weiß man z. B nicht, was die Leute in Wakanda eigentlich die ganze Zeit so treiben. Auch die Action ist rar gesät. Das ist nicht automatisch schlimm, aber mit irgendwas wollen die 161 Minuten doch gefüllt werden. Es ist genug Raum da für die Figuren, doch die drehen sich im Kreis. Genug für die Ausgestaltung der Welt und hier bekommt man immerhin was von Talokan zu sehen. Und von Namors Geschichte, die mit der interessanteste Part des Films ist.
Trotzdem wird auch wieder viel Zeit mit leeren Kalorien gefüllt. Blutleer könnte man das nennen, auch im direkten Sinne. Denn wenn sich Shuri von einem Speer schiebt, der sie durchbohrt hat und der danach wie frisch poliert aussieht, wähnt man endgültig im Kinderprogramm.
Ein zentraler Aspekt ist der Widerstreit zwischen Tradition und Fortschritt, Mythologie und Wissenschaft. Hier wären interessante Anknüpfungspunkte möglich gewesen. Aber auch dafür scheint das hier die falsche Bühne, zu einfach bleibt die Zeichnung der Konflikte, die gerne kurz in wenigen Sätzen durchgeführt wird. Warum man dieses Fass dann überhaupt so prominent aufmacht, bleibt unbeantwortet. Ebenso, warum der Subplot mit Agent Ross (Martin Freeman) hier unbedingt dabei sein musste.
Und was ist mit dem Neuzugang, der relativ viel Screentime hat? Riri Williams (Dominique Thorne), Charakterisierung: Studentin und Wunderkind. Die natürlich eine eigene Halle mit High-Tech-Kram hat. Und natürlich einen fliegenden Kampfanzug. Und natürlich nach gefühlt einem Tag in Wakanda mit denen in den Krieg zieht. Hat all dies für die eigentliche Geschichte keine spürbare Relevanz, so hat ihr Auftauchen hier einen ganz einfachen Grund: sie bekommt demnächst eine eigene Serie.
Es sind dann am Ende doch eher Nebenfiguren wie Okoye (Danai Gurua) oder M'Baku (Winston Duke), die positiv herausstechen. Letitia Wright als Shuri Schrägstrich Pantherin trägt den Film zu keiner Sekunde.
Wirken die FX auch nicht mehr so (teilweise) billig wie im Vorgänger, gut sieht das immer noch nicht aus. Der artifizielle Look zieht sich immer noch durch manche Sequenz, insbesondere bei der Animation von Personen. Das ruckelt, das hakelt, das ist nicht schön. Da wird wieder viel vor dem Bluescreen getanzt und ja, anders geht das wohl nicht (mehr), aber dann doch bitte nicht so offensichtlich. Die Wassergranaten sind allerdings chic.
Gleiches gilt auch für die Ausstattung, die Kostüme sind wieder was für's Auge und auch musikalisch bietet der Film Abwechslung zum genre-immanenten Einheitsgedröhne. Auch mehr von der Welt zu zeigen ist nicht per se schlecht. Aber das alleine füllt nicht die überbordende Laufzeit, wenn da nichts dranhängt. Und das macht aus "Wakanda Forever" keinen guten, sondern letztlich nur einen sehr langen Film. Immerhin, dass man "Forever" hierzulande mit "über alles" übersetzt hat, da kann der Film nichts für. Es klingt trotzdem einfach falsch.
"Warum erzählst du mir das alles?", fragt Shuri an einer Stelle im Film. "Weil das Franchise es so muss", möchte man da antworten.
Ja, der Verlust von Boseman wiegt schwer auf der Produktion. Und so geht die nicht mit Highlights verwöhnte Phase IV des MCU zu Ende. Mit vielem, was an die Wand geworfen wurde in der Hoffnung, dass irgendwas kleben bleibt. Mit einem emotional unterentwickelten und sich erzählerisch im Stillstand befindenden Film, bei dem man sich zu keiner Sekunde Sorgen um irgendeine Figur macht, der als Werbeträger für eine kommende Serie dient und eine wenig sympathische Hauptdarstellerin besitzt.