
Eine Kritik von "Vince":
Jason Statham ist einfach zu gut in seinem Job. Er ist so „unexpendable“, dass ihm seine Chefs während des Urlaubs regelmäßig in seinem Hotelzimmer nachsteigen, um ihn dazu zu überreden, einen neuen Auftrag zu übernehmen, für den nur er in Frage kommt. Da heißt es dann: Jason, kannst du mal den urzeitlichen Megalodon aus dem Weg räumen? Oder: Jason, kannst du mal dem Waffenhändler das Handwerk legen? Dabei will Jason eigentlich nur seine Schirmchendrinks am Pool genießen. Überreden lässt er sich am Ende aber doch. Dem Schauspieler geht es vermutlich nicht viel besser als seinen Filmcharakteren, der muss sich dann anhören: Jason, ich habe hier ein Drehbuch, das genau auf dich zugeschnitten ist. Kannst du mal die Rolle des Agenten übernehmen, der dem Waffenhändler das Handwerk legt? Urgh… jaaa okay, ich mach ja schon.
Und so ist „Operation Fortune“ schon in der Exposition so typisch für Statham, dass der Regisseur dahinter fast unsichtbar wird. Das ist bemerkenswert genug, handelt es sich bei dem Mann auf dem Regiestuhl doch schließlich um Guy Ritchie, der normalerweise eine sehr ausgeprägte Handschrift besitzt. Dabei war er ja sogar Förderer von Statham in dessen Anfangstagen als Schauspieler. Aber die Cockney-Tage sind lange gezählt. Der Mime, der üblicherweise seinen Athletenkörper vorschickt, um für sein steinernes Gesicht das Schauspiel zu erledigen, hat sich längst von den skurrilen Individuen der Marke „Bacon“ und „Turkish“ emanzipiert und seine eigene Figur konzipiert, die er seitdem immer und immer wieder spielt: Jason Statham eben.
Und man kommt nicht umhin festzustellen, dass auch Orson Fortune kein Unikat ist, sondern bloß wieder ein Deckname für Jason. Jenen Jason, der 2002 geboren wurde, als er heikle Waren in seinem schwarzen BMW transportierte, ohne Fragen zu stellen. Nun geht es also mit reichlich Bond-Vibes einmal rund um die Welt, um den fiesen Jungs mit Undercover-Einsätzen, Schleicheinlagen, harten Verhandlungen und Balleraction einen Strich durch die Rechnung zu machen. Wechselnde Schauplätze paradiesischer Flecken auf dem Globus sorgen dafür, dass ihm auch während des Einsatzes die Schirmchendrinks nicht ausgehen. Auch wir fühlen uns mit all den Postkartenhintergründen gleich heimisch, denken wir dabei doch gleich an das Marseille aus „The Transporter“, das Palm Beach aus „Parker“ oder die südamerikanisch-asiatisch-australischen Set Pieces von „Mechanic: Resurrection“. Ganz klar: Dies ist kein Ritchie-Film mit Jason Statham, sondern ein Statham-Film von Guy Ritchie.
Obwohl also alles auf einen klassischen Statham hinausläuft, bemüht sich Ritchie nach Leibeskräften, seine schrulligen Trademarks in dem bewusst nach Schablonen aufgebauten Skript unterzubringen. Was per se nicht unbedingt ein Widerspruch sein muss. Als sich das rhythmische Klackern von Cary Elwes’ Business-Schuhen auf dem Marmor auf einmal in den Opening Track des Films verwandelt, blitzt sie kurz auf, Ritchies Signatur, obwohl man sie in dem Moment beinahe noch mit der von Christopher Nolan verwechseln könnte. Es bahnt sich ein raffiniertes Katz-und-Mausspiel mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks an, so wie „Cash Truck“ (2021), die erste Ritchie-Statham-Paarung seit „Revolver“ (2005), eines für den düsteren Actionthriller war. Da werden Erwartungen geschürt, die dann doch nicht so ganz erfüllt werden können. Präzision und Raffinesse liegen zwar im Blut der geschriebenen Figuren, aber nicht im Drehbuch selbst. Was das angeht, sollte man lieber ein Paar Bermuda-Shorts und eine lockere Haltung ins Kino mitbringen.
Denn obwohl der Hauptdarsteller im Solo-Modus der antreibende Motor bleibt, der alles in Bewegung hält, bezieht „Operation Fortune“ durch das unverbindliche Zusammenspiel sämtlicher Darsteller eine beneidenswerte Leichtigkeit, fast so, als würde jeder intuitiv darauf vertrauen, dass die Operation schon irgendwie gelingen wird. Der Solist wird nach und nach zum Teamplayer umgekrempelt, als sich eine Truppe von Spezialisten um ihn versammelt, die dem A-Team Konkurrenz machen könnte. Carey Elwes als Operation Lead weiß eben, wie ein Plan funktioniert, Aubrey Plaza als Hackerin weiß, wie man den An-Knopf am Computer findet, Bugzy Malone als Scharfschütze weiß, wie man den Abzug drückt und Josh Hartnett als dumpfbackiger Schauspieler weiß nicht so recht, wie man schauspielert, wenn es mal so richtig um die Wurst geht. Das ist eine delikate Mischung, die nach Unterhaltungsmaßstäben prächtig funktioniert, auch weil die Einsätze komplex genug aufgezogen sind, damit jedes Rädchen im Getriebe seinen Zweck erfüllt, so dass sich nach erfolgreichem Abschluss der Operation das nächste Puzzleteil offenbart und der Privatjet wieder in die Luft steigen kann, um die Lady und die Gentlemen zum nächsten Einsatzort zu befördern.
So ist es eine besondere Freude zu sehen, dass Ritchie nach „Cash Truck“ erneut auch auf Josh Hartnett setzt, der ansonsten zuletzt in weniger beachteten Produktionen untergetaucht war. Hier brennt er aber als eitler Filmstar ein wahres Fegefeuer der Eitelkeiten ab und eröffnet als schauspielernder Schauspieler zugleich eine Metaebene für satirische Seitenhiebe auf die Filmindustrie und die Welt der Reichen, Schönen und Korrupten, in der sich die mit Ironie aufgeladenen Dialoge zwischen ihm und seinen Mitspielern ideal entladen können. Cary Elwes ist ja ohnehin wie dafür gemacht, um solche Vorlagen in Punkte zu verwandeln. Einige der Wortgefechte mit seiner fiesen Nemesis Ben Harris (Max Beesley) finden zwar auf bemerkenswert niedrigem Niveau statt, insgesamt stellt er aber unter Beweis, dass man den glitschigen, aalglatten Typus, auf den er abonniert ist, auch auf sympathische Weise interpretieren kann. Den höchsten Aufwand betrieb Ritchie wohl für die Präsentation von Aubrey Plaza, mit der er seine Tradition exzentrischer Unikate weiterführt. Ihre bereits aus vielen anderen Filmen bekannte Masche, schräge sexuelle Andeutungen alleine mit Hilfe ihres Gesichtsausdrucks und einer doppeldeutigen Wortwahl in den Subtext einzuschleusen, führt Ritchie bisweilen an die Spitze und darüber hinaus. Das funktioniert mal, es kann auch mal ein bisschen too much werden, aber es ist wohl schwer abzustreiten, dass Plaza als Showstealer in jeder Szene in Erscheinung tritt, an der sie teilnimmt. Nur Hugh Grant kann an ihrer Seite noch bestehen. Er variiert zwar lediglich seine ähnlich geartete Rolle aus „The Gentlemen“ (2019), dies aber mit einer unbändigen Spielfreude, so dass das Dreieck Hartnett / Plaza / Grant zu den Highlights des Films gehören dürfte. Lediglich der unerfahrene Bugzy Malone, der zuvor als Schauspieler nur in „The Gentlemen“ zu sehen war, wirkt in dem Ensemble etwas verloren, hält sich aber wacker, auch weil seine Figur mit zunehmender Laufzeit relevanter wird als Backup für Statham.
Der ist nämlich als Mann fürs Grobe direkt vor Ort im Einsatz und tut, was er eben so tut. Sich als ahnungsloser Tourist ausgeben und den Schergen Faustschläge durch ausgeklappte Stadtkarten geben zum Beispiel. Oder den Weg des Jiu Jitsu von links nach rechts durch die Kombüse eines Kreuzfahrtschiffs beschreiten. Oder sich in einem Aufzug voller (selbstgemachter) Leichen tot stellen und vom Boden aus gleich auf die nächste Fuhre ballern. Oder einen Hubschrauber starten, ohne je zuvor am Cockpit eines solchen gesessen zu haben („Ist doch nur ein Hubschrauber“). Die Action ist dabei nie über die Maßen spektakulär und gerade im Finale fast so enttäuschend wie eine Knallerbse im Schatten eines Chinaböllers, dafür allerdings im Rahmen halbwegs realistischer Optionen durchaus abwechslungsreich und vor allem immer mit dem entsprechenden Augenzwinkern vorgetragen. Die trockene Kommunikation zwischen Fortune und seinem Team lässt selbst den Sturz eines Mannes in seinen Tod wie gute Stand-Up Comedy wirken. Allerdings geht mit dem konservativen Agenten-Konstrukt auch ein archaisches Feindbild einher, wird Waffenhandel doch in dieser Art Film grundsätzlich mit osteuropäischen Regionen konnotiert, was de facto auch der Grund für die Verschiebung des Starttermins verantwortlich war, begann doch der Russisch-Ukrainische Krieg just zu der Zeit, als “Operation Fortune” ursprünglich ins Kino kommen sollte.
Die episodische Struktur des Drehbuchs sorgt derweil immer wieder für Leerlauf, weil es aufgrund des vorhersehbaren Aufbaus so gut wie keine Spannung gibt, selbst wenn auf Zeitdruck USB-Sticks ausgelesen werden müssen, während sich draußen bereits die bewaffneten Übeltäter mit der Flex an der Metalltür vergehen. Die wechselnde Einblendung von neuen Einsatzgebieten wirkt irgendwann redundant, so dass die Darsteller dazu gezwungen sind, per Kaltstart im Laufe der Szene das Interesse des Zuschauers wieder zurückzugewinnen, was ihnen aufgrund ihrer eigenen Fähigkeiten sowie der flott geschriebenen Dialoge zum Glück immer wieder gelingt. Irritierend ist an einigen Stellen auch der Schnitt ausgefallen, insbesondere in einer aus dem Trailer bekannten Szene, bei der Aubrey Plaza eine letzte Bemerkung macht („ssssssssexuell“), die im fertigen Film merkwürdigerweise von der Musik beim Szenenübergang übertönt wird – ob dies ein gewolltes stilistisches Merkmal ist oder eine merkwürdige Art von Zensur, lässt sich zumindest nicht vollständig aus der Szene erschließen. Ähnlich ungelenk wirkt die Montage um Fortunes Begegnung mit den Wachen am Pool, die nachträglich noch zweimal mit kurzen Rückblenden erweitert wird, ohne dass diese Spielerei einer chronologischen Abfolge des Gezeigten etwas Neues hinzufügen würde.
Letztlich ist „Operation Fortune“ für Guy Ritchie eher eine Fingerübung, die sich im Mittelfeld seines Gesamtwerks ansiedelt, ohne die Besonderheiten seiner beiden Kultstreifen zur Jahrtausendwende. Auch „The Gentlemen“ atmete dank Farrell, McConaughey & Co. noch eher deren Geist, „Cash Truck“ war als düsterer Actionthriller von höherem filmischen Nährwert und ein „Codename U.N.C.L.E.“ hatte das interessantere Setting zu bieten. Aber: Als ein Vertreter von Jason Stathams alljährlichen Stangen-Actionstreifen schneidet dieser hier ziemlich gut ab, weil er altbewährte Agenten-Zutaten mit überschäumender Spielfreude samtiger die Kehle herunterrinnen lässt als so manchen geschüttelten Martini. Spannung und Thrill bleiben weitgehend aus, weil auch diese Helden eher zu den Unbezwingbaren gehören, dafür jedoch bleiben Action und Inszenierung angenehm bodenständig und dennoch fintenreich.